Archiv der Kategorie: Inselgeschichten

„Man verschenkt Träume“

Seit 2016 gibt es das Langeooger Puppenspölerfest mit Stücken für Kinder und Erwachsene 
„Wir können dich hochpusten, wenn du willst“, schlägt ein Kind aus dem Publikum vor. Bei der Laterne hatte es schließlich funktioniert, da müsste es doch auch mit dem Nachtwächter klappen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Nachtwächter Träumerlein muss sich etwas anderes einfallen lassen, um seine Laterne zurückzubekommen. Die hatte er bei seinem nächtlichen Streifzug vergessen – für die Laterne die Chance, um sich zu den Sternen pusten zu lassen. Jetzt will sie nicht mehr weg. Der Nachtwächter sucht Hilfe bei der sehr betagten Hexe Besenstiel und hat Glück.
„Laterne & Sterne“ heißt das Stück, geschrieben von Norbert Böll vom Würzburger Theater Spielberg. Der Autor tritt nicht nur als Erzähler auf, sondern hat auch alle Rollen inne. Er spielt den Nachtwächter, den Sternengucker Professor Guck in die Luft, die Hexe, ihre Katze – und die Laterne. Mit seiner Guckkastenbühne, Drehorgel, den Figuren und Requisiten ist der Puppenspieler zum 5. Langeooger Puppenspölerfest gekommen. Organisiert wird das seit 2016 bestehende Fest von Dr. Gabriele Hübener vom Verein Langeooger Puppenkiste e. V.
Langeooger Puppenkiste 
Dr. Gabriele Hübener leitet auch die Spielgruppe des Vereins, die aus Kindern der Inselschule und Erwachsenen besteht. Als die Inselzahnärztin 2009 eine Hypnosefortbildung in Hamburg machte, kam sie an einem Schaufenster mit Original Hohnsteiner Puppen vorbei. Sie kam mit dem Inhaber ins Gespräch, dem Puppenspieler Gilbert d’Orano. „Er fragte, ob ich sein Theater sehen wolle.“ Das war der Beginn des Langeooger Puppentheaters. „Ein Jahr hat er geholfen, unser Theater zu bauen. Es war eine Bühne auf Rollen, im Sommer spielten wir auf der Barkhausenstraße.“ Durch die Inselgemeinde bekamen sie im einstigen Tagungszentrum einen Raum. Als dieses abgerissen wurde, zogen sie in die Spöölstuv um, in der immer freitags gespielt wurde. Derzeit ruht durch Corona noch immer alles.
Auch das Puppenspölerfest konnte zweieinhalb Jahre nicht stattfinden. Wurden zu-vor in den Osterferien Aufführungen angeboten, konnte nach der coronabedingten Pause nun an zwei Wochenenden in den Herbstferien gespielt werden. Das solle auch 2023 so sein, sagt die Veranstalterin, die mit den vergangenen Spieltagen sehr zufrieden ist.
Detlef Heinichen ist der künstlerische Leiter. Dr. Gabriele Hübener lernte ihn auf dem Hohnsteiner Puppenspielfest kennen, das er leitete. „Ich sagte ihm, dass ich auf Langeoog auch gerne ein Puppenfest hätte“, so die Zahnärztin. Der Anfang des Langeooger Puppenspölerfestes war gemacht.
Beim jüngsten Puppenspölerfest wurden insgesamt zwölf Stücke für Kinder und Erwachsene aufgeführt. Zu ihnen gehörten „Das letzte Autogramm – Hommage an Johnny Cash“, „Zwerg Nase“, „Hase und Igel“ und „Die Zauberflöte“. Die Künstlerinnen und Künstler kamen vom Theatrium Steinau, dem Figurentheater Christiane Weidringer, vom Theater Lakritz und vom Theater Spielberg.
Für die Künstlerauswahl ist Detlef Heinichen zuständig. Der gebürtige Magdeburger studierte an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin die Puppenspielkunst. „In Bremen, im Schnoorviertel hatte ich 26 Jahre lang ein eigenes Theater. Langeoog kenne ich aus der Zeit noch“, erzählt der Puppenspieler, der inzwischen in der Nähe von Frankfurt das Theatrium Steinau betreibt. „Ich wollte immer Puppenspieler werden.“
Wenn er nicht für Kinder spielen würde, könne er auch nicht für Erwachsene spielen, sagt der 68-Jährige. „Kinder halten einen fit. Durch ihre Fragen wird man zur Improvisation angeregt. Sie sind ein gutes Regulativ.“ Er freut sich, dass er Kinder durch die Puppenspielkunst begeistern kann. „Man verschenkt Träume.“ So sieht das auch Dr. Gabriele Hübener: „Durch das Puppenspiel öffnet sich eine Welt der Fantasie – wir erreichen immer noch die Kinder.“ -jeg-

Baden für Wohltätigkeit 

Seit 18 Jahren wird am 1. November beim Allerheiligenschwimmen auf Langeoog 
im Meer gebadet und für den guten Zweck gespendet 
Sie trugen nicht nur gelbe Mützen, auch ein Thermometer hatten sie für ihr Bad in der Nordsee dabei: Wassertemperatur 13 Grad. Deike Neumann vom Eine-Welt-Laden Langeoog und Urlauberin Katja Recht gehörten zu den letzten Badenden, die am 1. November sichtlich entspannt aus dem Meer kamen. Die beiden Frauen nahmen am 18. Allerheiligenschwimmen teil, das vom Verein Langeooger Allerheiligen-Schwimmer e. V. organisiert wird. Mit ihnen waren an diesem sonnigen Tag rund 100 weitere Menschen im Wasser.
Das Schwimm-Event ist aus einem Spaß im Freundeskreis entstanden. Bernd Spies ist 1. Vorsitzender des Vereins und erzählt, dass im Oktober 2005 die Idee dazu aufkam, als ihm ein Gast an der Bar im Hotel Flörke sagte, dass er noch Ende des Monats in der Nordsee schwimme. Im Oktober könne das jeder, war Bernd Spies‘ Antwort, aber am 1. November nicht. So kam es, dass sie damals zu viert an Allerheiligen ins Meer gingen. Der Anfang des jährlichen Schwimm-Events war gemacht und auch das Ziel war klar: Projekte auf Langeoog zu fördern, die das Gesundheitswesen und die Freiwillige Feuerwehr auf der Insel unterstützen.
Seit es den Verein gibt, konnten die Mitglieder mehr als 130.000 Euro für wohltätige Zwecke auf Langeoog spenden. Der Betrag ist durch das Schwimm-Event und die Mitgliedsbeiträge zusammengekommen. So konnten zum Beispiel Strand– rollstühle, eine barrierefreie Umkleidekabine und Panzermatten, die Rollstuhlfahrenden den Weg zu den Strandkörben erleichtern, einige Übungsgeräte für die Ausbildung der DLRG-Ortsgruppe Langeoog und ein Atemluftkompressor für die Freiwillige Feuerwehr der Insel finanziert werden. In diesem Jahr sei etwas für den Strand geplant und auch die Freiwillige Feuerwehr werde mit 5.000 Euro unterstützt, damit sie eine Werkstatt für den Kompressor einrichten könne, so Bernd Spies.
Aus Tradition gemeinsam 
Es gehört zur Tradition der Veranstaltung, dass sich zu Beginn an der Lale-Andersen-Skulptur unterhalb des Wasserturms getroffen wird und die Anwesenden durch die Gemeinde begrüßt werden. In diesem Jahr übernahm dies Thomas Pree vom Tourismus-Service Langeoog. Ebenfalls nicht wegzudenken: Gemeinsam Lale Andersens Klassiker „Lili Marleen“ singen, begleitet durch Lothar Voigt an der Gitarre. Danach gingen Teilnehmende und Zuschauende die Barkhausenstraße entlang zum Strandübergang Seekrug hinab ans Meer.
Sei es im Bikini, Badeanzug, in der Badehose oder in historischer Schwimmkleidung, im leuchtend grünen Anzug mit Hut oder als Fußballfan verkleidet – kostümiert ins Meer zu gehen, gehört zum Allerheiligenschwimmen dazu. Ein Piff aus der Trillerpfeife durch Bernd Spies war der Start für den Sprint in die Nordsee, in der einige für wenige Sekunden, andere mehrere Minuten verweilten. Vor Ort dabei waren auch die DLRG-Ortsgruppe, die vom Strand aus und im Wasser auf die Badenden achtgab, sowie der Rettungsdienst – für alle Fälle.
Nach dem Bad im Meer noch einmal zusammenkommen ist auch Teil der Veranstaltung. Vor der Tischtennishalle ging es bei heißen Getränken und Würstchen gesellig zu. Diese wurden von zwei Deutschen Meistern gespendet: Peter Burkhardt wurde in diesem Jahr Deutscher Bratwurstmeister und sein Sohn Philipp Deutscher Weißwurstmeister. Gemeinsam betreiben sie in Mannheim ihre Metzgerei und haben eine besondere Verbindung zu Langeoog: Philipp Burkhardt kommt seit seiner Geburt vor 30 Jahren immer wieder nach Langeoog und hat die Insel so sehr ins Herz geschlossen, dass er in diesem Jahr auf ihr geheiratet hat. Sein Vater Peter Burkhardt ist seit 60 Jahren Stammgast und einer der vier Mitbegründer des Allerheiligenschwimmens. -jeg-

Ein Skelett fuhr auch schon mit

Sperrmülltag auf Langeoog – wie funktioniert das eigentlich mit der Entsorgung? 
„Wir machen alles“, sagt Andreas Puls, als er die Pappe vom Bürgersteig aufhebt und in den Anhänger wirft. Mit seinem Kollegen Christian Jung ist er auf dem Weg zum nächsten Wohnhaus, um Sperrmüll abzuholen. Dass unterwegs angehalten wird, um aufzusammeln, was nicht dorthin gehört, gehört für sie zu ihrem Arbeitsalltag. Beide arbeiten auf dem Bauhof der Inselgemeinde Langeoog. Ihre Aufgaben: Grünanlagen pflegen, Beerdigungen auf dem Dünenfriedhof vorbereiten, kleinere Reparaturen in den Liegenschaften der Gemeinde, Straßenreinigung, Müllentsorgung und mehrmals im Jahr auch die Beseitigung von Sperrmüll.
In dieser Dezemberwoche sind es zwei Termine, und zwar Mittwoch und Donnerstag. Aufgeteilt in Norderdorf (für nicht         Insulaner*innen: vom Bahnhof kommend rechts von der Hauptstraße) und in Süderdorf (die andere Seite). Insgesamt sind es 80 Abholstellen. „Ab 50 Stellen fangen wir schon früher mit der Arbeit an“, sagt Christian Jung. „Bei großen Mengen sind wir oft eine Woche beschäftigt.“ Daher werde bereits am Montag und Dienstag, nach der Abholung der gelben und grauen Säcke, begonnen. Im November hatten sie 130 Abholstellen. „Beim ersten Termin nach dem Sommer ist am meisten zu tun“, so der Langeooger. In diesem Jahr hat es 13 Sperrmülltage gegeben, verteilt auf sieben Monate. „Bis jetzt hat sich immer jeder gefreut, wenn wir kommen. Außer, wenn wir was nicht mitnahmen.“
Sperrmüll oder nicht? 
Teppiche, Stühle, Schränke, Kommoden, Staubsauger, Sofas, Matratzen, Lampen, Lampenschirme, Liegestühle, Fernseher, Heizlüfter, Fahrräder – alles ist ordentlich zusammengestellt. Zu zweit ist die Arbeit nicht zu schaffen. Außer Christian Jung und Andreas Puls gehören noch Arthur Frost, Robert Rothe und Marvin Busse zum Bauhofteam, das von Hartmut Börgmann geleitet wird. An diesem Dezembertag sind sie zu fünft unterwegs – aufgeteilt in drei Trupps. Es hat geregnet. Die Matratzen und Sofas sind mit Wasser vollgesogen. Gemeinsam wuchten die Kollegen die schweren und unhandlichen Möbel auf den Anhänger. Gesprochen wird nicht viel. Sie sind eingespielt. Verladen wird nach Zugehörigkeit in die drei Anhänger: Ein Hänger ist für Altmetalle, die beiden anderen für Sperrmüll. Gezogen werden sie von den inseltypischen E-Karren.
Doch Sperrmüll ist nicht gleich Sperrmüll. Zu beachten gibt es manches, damit nichts unnötig vor die Tür gestellt wird: „Alles, was in Säcke passt, dürfen wir nicht mitnehmen, wie Kleider. Auch alles, was verbaut ist, müssen wir stehen lassen. Zum Beispiel Paneele, Türen, Fenster, Toilettenschüsseln und Zäune“, zählt Robert Rothe auf. Dafür müsse ein Container bestellt werden. Der gelernte Tiefbauer arbeitet seit eineinhalb Jahren auf dem Bauhof. Er lebt in Esens und pendelt täglich. So wie Arthur Frost und Andreas Puls, beide gelernte Gärtner und seit mehr als 30 Jahren bei der Gemeinde. Marvin Busse ist vor eineinhalb Jahren von Bielefeld auf die Insel gezogen. Er hat Straßenbauer gelernt. Mit ihren unterschiedlichen Berufen können sie all die anfallenden Aufgaben des Bauhofs gut erledigen, sagt Christian Jung, der ebenfalls auf Langeoog lebt und gelernter Maler ist. Im Rathaus weiß man, was man an dem Team hat. „Die Mitarbeiter des Bauhofs sind ein echtes Hochleistungsteam“, lobt Bürgermeisterin Heike Horn.
Schuco, E-Bike, Playmobil 
Sperrmüll muss auf der Insel bei der Gemeinde angemeldet und im Vorfeld bezahlt werden. 15 Euro für bis zu drei Kubikmeter, 30 Euro für drei bis sechs und 45 Euro für sechs bis neun Kubikmeter. Ob die angemeldete Menge in etwa hinkommt, haben die Bauhof-Mitarbeiter im Gefühl. Es seien Erfahrungswerte. Und das Wissen, dass in zwei volle Hänger neun Kubikmeter hineinpassen, sagt Arthur Frost.
Sobald ein Anhänger voll ist, fährt er zum Lagerplatz am „Mount Müll“, um abzuladen. „Mount Müll“ nennen Langeooger ihre ehemalige Deponie. Zwischen 1955 und 1987 wurden hier die Abfälle abgelagert, 2010 wurde der Hügel saniert und rekultiviert. Am Lagerplatz übernimmt die Langeooger Firma Eckhardt: Sie belädt die Schiffscontainer mit dem abgeladenen Sperrmüll. „Mit der Baggerschaufel wird dann im Container alles gestampft“, erklärt Christian Jung. Sobald die Schiffscontainer voll sind, werden sie aufs Schiff verladen. Um die weitere Entsorgung und Verarbeitung kümmert sich das Unternehmen Nehlsen.
Dinge, die nicht mehr benötigt werden, aber noch brauchbar wären, fallen auch immer mal wieder beim Sperrmüll an. „Finden tun wir eigentlich alles. Alte Schuco-Modellautos waren schon dabei. Original Playmobil. Sogar ein E-Bike, bei dem der Akku nicht mehr funktionierte“, erzählt Christian Jung. Er erinnert sich auch an eine komplette Wohnzimmerausstattung, die neuwertig aussah und so noch hätte verwendet werden können. Von einer Ferienwohnung sei sie gewesen und wahrscheinlich habe man den Gästen nach ein paar Jahren was Neues bieten wollen, vermutet er. Einmal sei auch ein skurriler Fund dabei gewesen: Ein Skelett von der Inselschule.
Die Inselgemeinde hat auf ihrer Website Tipps zusammengestellt, wie Sperrmüll vermieden werden kann: Über Kleinanzeigen, Flohmärkte und soziale Einrichtungen können gut erhaltene und noch brauchbare Gegenstände, die zu schade für den Sperrmüll sind, gegebenenfalls einen neuen Besitzer finden.
„Wir nehmen alles zweimal in die Hände“ 
Der Arbeitstag des Bauhof-Teams beginnt um 7.45 Uhr und endet um 17 Uhr. Gegen 13 Uhr machen sie eine halbe Stunde Mittag. Nach der Mittagspause fahren Andreas Puls und Christian Jung mit einem Hänger voller Elektroschrott zur Müllumschlagstation an der Kläranlage. Kleinteilige Elektrogeräte, wie Drucker, Fernseher und Mikrowelle, können sie auf der Ladefläche der E-Karre transportieren. Bei großen Geräten fahren sie extra raus. Dann stellen sie alles zusammen. Kühlschränke, Herde, Trockner. Einmal hatten sie vier Hänger mit 180 großen Gegenständen. All das muss händisch eingeräumt werden. Und auch wieder raus.
„Alte Waschmaschinen, wie die von Miele, sind die schwersten“, sagt Christian Jung. Kühlschränke von 30, 35 Kilo kann er allein tragen. „Das ist kein Problem. Aber die 50-Kilo-Geräte, die müssen wir zu zweit tragen.“ Gemeinsam mit Andreas Puls trägt er einen mannshohen Kühlschrank vom Anhänger, um ihn in den Schiffscontainer zu den anderen entsorgten Geräten zu stellen. „Du nimmst was mit“, ruft er ihm zu, als er sieht, dass sich das Kabel eines anderen Geräts am Kühlschrank verhängt hat.
Mit den kleinteiligen Elektrogeräten haben sie heute Glück. Der Schiffscontainer, den sie von oben mit dem Bagger beladen können, ist frei. Ansonsten ist es in der Regel so, wie Andreas Puls sagt: „Wir nehmen alles zweimal in die Hände.“ Nun können sie die Baggerschaufel zur Hilfe nehmen, um die Kleinteile umzuladen. Das sei schon eine große Arbeitserleichterung, sagt Christian Jung. Den Deckel des Containers müssen sie
jedoch händisch hochpumpen, was eine Weile dauert. Das Pumpen ist anstrengend und Andreas Puls macht eine Verschnaufpause. „Sport brauchen wir nicht“, sagt er. „Durch unsere Arbeit bewegen wir uns rauf und runter, klettern in Bäume, sind immer in Bewegung“, ergänzt Christian Jung und sagt mit einem Grinsen: „Wir sind Mädchen für alles.“ -jeg-