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Langeooger Kurpastoren

Joachim Thurn und Harald Fischer sind für Insulaner und Gäste da

Auf Langeoog werden die evangelisch-lutherische Inselkirche und die katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus von Kurpastorinnen und Kurpastoren unterstützt. Sie bleiben für zwei bis vier Wochen und übernehmen die Gestaltung von Gottesdiensten, halten Vorträge und führen Seelsorgespräche. In der katholischen Gemeinde gehören auch Taufen und Trauungen dazu; in der Inselkirche geschieht dies in Ausnahmefällen. Wie Joachim Thurn und Harald Fischer ihren Inselaufenthalt sehen, haben sie der Utkieker-Redaktion verraten.

Kurpastor Joachim Thurn
In der Altmark betreut Joachim Thurn 15 Dörfer und zwölf Kirchengemeinden samt ihrer zwölf Kirchen – auf Langeoog ist er noch bis zum 18. September als Kurpastor tätig. Foto: privatVom 25. August bis 18. September 2023 kümmert sich Joachim Thurn um die evangelische Kirchengemeinde auf Langeoog und um Gäste, die Beistand und Gespräche suchen. Joachim Thurn ist 1966 in Köln geboren, Vater von drei erwachsenen Kindern und Opa eines Enkels. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Pfarrer in der Altmark in Sachsen-Anhalt. Dort betreut er 15 Dörfer und zwölf kleinere Kirchengemeinde – samt der zwölf Kirchen.
„Unsere Kinder sind in den 1990er-Jahren durch ambulante Kuren mit uns auf Langeoog gewesen. Hier habe ich erfahren, dass Kurpastoren gesucht werden und habe mich dazu bereit erklärt. So komme ich nun seit mehr als 20 Jahren auf diese Insel und bringe mich gerne in die evangelische Kirchengemeinde und die Ökumene mit ein“, sagt Joachim Thurn. „Auf der Insel benötige ich mal keinen PKW und freue mich auf Begegnungen und Gespräche. Montags und donnerstags um 9 Uhr treffe ich mich mit Interessierten an ‚Ullis Kiosk‘. Nach dem Weg zum Strand begrüßen wir den Morgen mit Lied, Gebet und Gesang. Am 3.9. freue ich mich auf den Familiengottesdienst in der Inselkirche um 11 Uhr. In der ökumenischen Vortragsreihe möchte ich mit Einheimischen und Gästen ins Gespräch kommen, dass Choräle und Lieder unser Glaubensleben reicher machen können. Ich wünsche uns eine gute und behütete Zeit auf dieser herrlichen Insel.“

Welche Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche haben Sie an Ihren Inselaufenthalt?
Ich hoffe auf eine Entschleunigung in meinem Leben. Allein dadurch, dass die Insel autofrei ist und ich viel mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad an der frischen Nordseeluft unterwegs sein werde. Ein Inselaufenthalt, trotz Diensten in der evangelischen Kirchengemeinde, lässt mir Zeit zum Lesen. Aber ich freue mich auf Begegnungen und Gespräche mit Gästen und Insulanern.

Per pedes, mit dem Rad oder der Kutsche – Langeoog ist eine autofreie Insel. Wie erleben Sie diese Art der Mobilität?
Diese Art der Mobilität erlebe ich als wohltuend. Allein das Ankommen. Das Gepäck aufgeben, das Auto abstellen, frei sich auf der Fähre fühlen, dann die kurze Fahrt mit der Inselbahn. Besonders freut mich, dass die Tradition der Pferdekutschen erhalten bleibt, obwohl ich schon mitbekommen habe, dass sich Urlauber immer wieder beschweren über Geruch und Pferdeäpfel auf den Straßen.

Was können wir aus Ihrer Sicht vom Leben auf einer Insel lernen?
Dass es wirklich Meer gibt im Leben als beruflichen Stress und Hetze im Alltag. Dass ein Blick in die unendliche Weite über der Meeresoberfläche in den Horizont der Seele gut tut. Und es macht mir deutlich, dass man auch nicht mehr wissen kann als ein Sandkorn am Strand. Ich lerne dadurch, dankbarer durchs Leben zu gehen, wie es der Beter in Psalm 139 sagt: „Nähme ich die Flügel der Morgenröte und stünde am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich halten und deine Rechte ewiglich.“

Kurpastor Harald Fischer
Harald Fischer ist Gemeindepfarrer in Kassel und bietet Wanderungen mit „Bibel und Rucksack“ an. Er ist gespannt, was er während seiner Zeit als Kurpastor vom Leben auf der autofreien Insel mitnehmen wird. Vom 18. September bis 1. Oktober 2023 kümmert sich Pfarrer Harald Fischer um die katholische Kirchengemeinde auf Langeoog und um Gäste, die Beistand und Gespräche suchen. Harald Fischer kommt aus Kassel. Dort ist er Gemeindepfarrer einer Innenstadtgemeinde und darüber hinaus auch Exerzitienseelsorger im Bistum Fulda. Er bietet Menschen, die nach einer Glaubensvertiefung suchen, Besinnungstage, geistliche Intensivzeiten, Pilgerfahrten ins Heilige Land, Wanderungen mit „Bibel und Rucksack“ und vieles mehr an.

Welche Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche haben Sie an Ihren Inselaufenthalt?
Ich bin vor vielen Jahren schon einmal auf dieser wunderbaren Insel gewesen und weiß deshalb schon in etwa, was für eine Umgebung mich erwartet. Natürlich suche ich – mit einem ­befreundeten Ehepaar, mit dem ich zusammen die Zeit hier verbringe – nach anstrengenden Tagen im Alltag Ruhe und Erholung. Ich freue mich auf das Meer, den Strand und die freie Zeit. Auf der Insel – so hoffe ich – geht das Leben langsamer, bewusster, und der Blick ist frei für das, was ist – und nicht so sehr bestimmt von dem, was getan werden muss.

Per pedes, mit dem Rad oder der Kutsche – Langeoog ist eine autofreie Insel. Wie erleben Sie diese Art der Mobilität?
Selbst in der Großstadt Kassel bin ich fast nur mit dem Fahrrad unterwegs. Kassel gehört zu den Städten, die sich im Moment sehr darum bemühen, das Bewusstsein für die Verkehrswende zu schaffen. Ich freue mich auf die autofreie Umgebung. Auf Langeoog werde ich auch viel mit dem Rad unterwegs sein.

Was können wir aus Ihrer Sicht vom Leben auf einer Insel lernen?
Ich bin selber gespannt, was ich von dem Leben auf der Insel mitnehme. In den vergangenen Jahren habe ich Urlaub sehr oft in den Bergen verbracht, die mich immer neu faszinieren. Am Meer gibt es das Gleichbleibende: den Blick, die Natur, den Wind. Und gleichzeitig ist natürlich auch alles in Bewegung. Ebbe und Flut sind die äußeren Zeichen dafür. Das kann man ja auch als Symbol für das Leben sehen: Vieles ist oft – lange – gleichbleibend. Gleichzeitig unterliegt alles einer Veränderung. Das gilt es anzunehmen und dafür offen zu bleiben.

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Ein Denkmal für Frieden

Gedenkstein an der Inselkirche soll Informationstafel erhalten

Inselkirche Langeoog„Selig sind, die Frieden stiften.“ Der Satz aus der Bergpredigt fordere auf, sich aktiv für Frieden einzusetzen. Das sei der Grund gewesen, ihn als Textabschluss mit auf die Informationstafel zu nehmen, erklärt Christian Neumann, Pastor der Inselkirche auf Langeoog. Die Informationstafel soll vor dem Gedenkstein angebracht werden, der an die Langeooger Soldaten erinnert, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Der Stein steht direkt vor der Inselkirche. Um eine optische Verbindung zu schaffen, sagt der Inselpastor, solle die Infotafel als Metallplatte auf Sandstein gestaltet werden. Dass die Tafel aufgestellt werden soll, hat wiederum zwei Gründe: einen Punkt und ein Fragezeichen.
Auf dem Gedenkstein steht: „Im fernen Land auf weitem Meer treu bis zum Tod für Deutschland Ehr“. Mit roter Farbe wurde hinter „Tod“ ein Punkt gesetzt und hinter „Ehr“ ein Fragezeichen. Aufgemalt im vergangenen Oktober durch Friedensaktivist Günter Wimmer, der dafür kürzlich wegen Sachbeschädigung verurteilt wurde. Die Berufung wurde abgelehnt.

Beschäftigung mit dem Unangenehmen
„Juristisch ist das klar. Aber wir als Kirchengemeinde verurteilen Herrn Wimmer nicht, sondern verstehen seine Motivation“, betont Christian Neumann. Viele Gespräche habe es mit dem Friedensaktivisten gegeben, der regelmäßig nach Langeoog komme. „Die Interpunktion hat Anstoß gegeben, über den Stein nachzudenken“, sagt der Inselpastor. „Für was sind sie gestorben? Wie sollen wir heute mit dem Thema Krieg und Frieden umgehen?“ Das seien Fragen gewesen, die in einer Arbeitsgruppe diskutiert wurden. „In der Diskussion haben wir alle Aspekte des Steins erörtert. Es geht um Familiengeschichte, um Erinnerungen, die gepflegt werden. Die Namen lösen etwas aus“, so Christian Neumann. Der Stein sei 1930 aufgestellt worden, in einer Zeit, in der der Nationalsozialismus aufkam. „Jetzt ist die Zeit, sich dem zu stellen. Sich auch mit dem Unangenehmen zu beschäftigen.“

Gedenkstein LangeoogDas Ergebnis der Arbeitsgruppe ist die Informationstafel. Darauf steht: „Dieses Denkmal wurde 1930 von dem Berliner Bildhauer Hermann Hosaeus (1876-1958) geschaffen. Die Inschrift entspricht wohl dem Denken und Empfinden eines großen Teils der damaligen Langeooger Bevölkerung. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Wir können uns wandeln.“ Der Begriff „DenkMalKrieg“ steht Oberhalb des Textes; „DenkMalFrieden“ bildet den Abschluss. Ein QR-Code werde zu einer Website mit weiteren Hintergrundinformationen führen. Diese soll es auch als Broschüre geben.
Christian Neumann verweist auch auf die Christus- und Garnisonskirche Wilhelmshaven und wie der Kirchenvorstand dort mit einem Mahnmal umgegangen ist. In die Überschrift des Mahnmals sei ein roter Punkt und ein rotes Fragezeichen angebracht worden. Dort stehe inzwischen nicht mehr „Sie alle starben für ihr Vaterland“, sondern: „Sie alle starben. Für ihr Vaterland?“ Über den roten Punkt, das rote Fragezeichen am Gedenkstein auf Langeoog sagt er: „Wir werden die Interpunktion nicht aktiv entfernen.“

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„Ich bin eine Lottokugel“

Vom Inselpastor zum Superintendenten: Pastor Neumann verlässt Langeoog

Spaß und Fröhlichkeit gehören für Inselpastor Christian Neumann zum Gottesdienst dazu. Am 2. Juli wird er um 15 Uhr seinen Abschiedsgottesdienst in der Inselkirche halten. © Marion Voß Dass er als Pastor einmal ein Rennen von Plastikenten moderieren würde, hätte Christian Neumann nicht gedacht. Bei der Veranstaltung, die von den vier Langeooger Serviceclubs für den guten Zweck organisiert wird, schwimmen 1.500 Badeentchen um die Wette. Der Inselpastor war von Anfang an als Moderator dabei. Diesen Sommer wird es die Benefizveranstaltung zum sechsten Mal geben. Dann allerdings ohne ihn. An dem Tag werde der Regionalbischof verabschiedet, da könne er nicht kommen, sagt er. Und dann ist es so, dass er nach fast neun Jahren auf der Insel, am 2. Juli seinen letzten Arbeitstag hat: Um 15 Uhr wird er seinen Abschiedsgottesdienst halten. Denn Christian Neumann wird neuer Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Norden. Am 20. August wird er offiziell in sein neues Amt eingeführt.
„Ich bin jetzt eine Lottokugel“, sagte er kürzlich zu seiner Frau. „Ich bin einer von 49 Superintendenten der Landeskirche.“ In seiner neuen Position werde er Vorgesetzter für 24 Pastoren sein, durch den Kirchenkreis touren und selbst eine Viertel-Pfarrstelle in der Ludgeri-Kirchengemeinde in Norden haben. Er sei dann in einigen Straßenzügen für Taufen, Trauungen und Beerdigungen zuständig. „Ich bin ja immer gerne Gemeindepastor gewesen“, betont er. Im nächsten Jahr wird der 49-Jährige sein 20. Jubiläum haben.

Vom Oberharz auf die Insel
Bevor er Inselpastor auf Langeoog wurde, war Christian Neumann zehn Jahre lang Gemeindepastor im Oberharz. „Ich hatte das Gefühl, alles gemacht zu haben, was man machen kann“, sagt er. Er hielt nach einer neuen Stelle Ausschau „mit dem gewissen Etwas“. Eines Tages sagte seine Frau, „Langeoog ist ausgeschrieben.“
Nach dem Kennenlerngespräch auf der Insel bewarb er sich. „Das Bauchgefühl war klar. Den Schritt haben wir nie bereut und wussten immer, dass es die richtige Entscheidung war.“ Zehn Tage vor dem Umzug auf die Insel, wurde ihr zweites Kind geboren; inzwischen sind sie zu fünft.

Arbeit als Inselpastor
Was es heißt, auf einer Insel zu leben, könne man sich im Vorfeld nicht vorstellen, sagt er. Anfangs habe er die Sekretariatsarbeit übernommen, weil es niemanden dafür gab. Er habe selbst Klavier in den Gottesdiensten gespielt, als die Kantorenstelle unbesetzt war. Und auch das Loch für Urnen-Beisetzungen habe er selbst schon ausgegraben.
Die Arbeit als Inselpastor sei ein Spagat zwischen kleiner insularer Gemeinde und einer sehr großen Anzahl Urlauber. Der stetige Wechsel der Sonntagsgemeinde, nicht zu wissen, wen er bei der Predigt vor sich habe, sei nicht ganz einfach. Auch sei der Gottesdienst nach dem Segen nicht vorbei, darauf müsse man gefasst sein. „Völlig unbekannte Menschen geben dir eine Rückmeldung“, schildert er – und es habe sehr viele gegeben. Worüber er sich freut: „Ich konnte ausprobieren, was ich wollte und es hat immer funktioniert.“ Oft sagten ihm die Menschen, dass die Gottesdienste so ein Kirchentagsgefühl geben würden, etwas Leichtes, Beschwingtes. „So ist das immer“, war dann seine Antwort. Er selbst ist aus den Gottesdiensten jedes Mal bereichert rausgegangen.

Insulare Hilfsbereitschaft
Am wenigsten erahnt habe er, dass Insulaner so ansprechbar sind für Mitarbeit: „Sie sind unglaublich hilfsbereit, egal welchen Alters. Darunter auch viele, die keine Gemeindemitglieder sind. Das war eine der größten Überraschungen, dass die Inselgemeinde so funktioniert“, sagt er.
Die Vertrauensbibliothek im Beiboot laufe, ohne dass er was machen müsse. Das Team des Eine-Welt-Ladens habe eine große Streukraft und unterstütze mit den Erlösen die Technikerschule CET in Burkina Faso. Mit Kantorin Olga Persits und Küster Dominique Seifert sei es ein „tolles Zusammenarbeiten.“ Die Menschen werde er vermissen.

„Anständig Abschied nehmen“
Über die letzten Arbeitswochen auf der Insel sagt er: „Du musst dich ja überflüssig machen. Was durch meine Hände geht – von der Vermietung der Räume im Beiboot, also technische Dinge, bis hin zu Beisetzungen und Seelsorge, all das muss geregelt werden.“ Bis eine Nachfolge gefunden werde, übernehme Heinz Behrends die Vakanz.
Was Christian Neumann wichtig ist, ist „anständig Abschied nehmen. Den Menschen, den ich dankbar bin, meinen Dank zeigen. Der Schritt von der Insel zu gehen, ist genauso groß wie auf die Insel.“ Langeoog sei für ihn und seine Familie eine prägende Zeit gewesen. „Ich hoffe, dass ich den Abschied so schaffe, wie im Harz.“ Damals sei es sehr fröhlich zugegangen.

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