Exponate, Lesung, Rallye: Neuigkeiten aus dem Heimatverein Langeoog
„Wie heißt das Fährschiff, von der die ‚Kaiserin-Bank‘ stammt? Welche Farbe hat das Wappen des Standesamtes? Wie wurde die Hebamme Margret Lüken genannt?“ Und: „Bevor das Rathaus erbaut wurde, diente das Gelände zwei anderen Zwecken. Was befand sich dort?“ Fragen über Fragen, insgesamt 24, die Schülerinnen und Schüler bei der Rallye im Seemannshus des Heimatvereins Langeoog e.V. beantworten können.
Seit vorigem Jahr bietet der Verein die Rallye an. Ausgangssituation war: „Wie bekommt man Schülerinnen und Schüler ins Seemannshus?“, so der erste Vorsitzende Erhard Nötzel. Wie alle Mitarbeitenden ist er ehrenamtlich für den Verein tätig. Er wandte sich an die Inselschule und erarbeitete mit dem damaligen Geschichtslehrer Eike Bents einen „Prototyp“, wie er sagt. „Wir machten einen Testlauf, passten an und haben ihn dann wiederholt“, erzählt der erste Vorsitzende. Drei Schulklassen – zwei von der Inselschule, eine von der Herbert-Jander-Schule aus Esens – haben bereits die Rallye absolviert, zu der vorab eine Führung gehört. „Einige Fragen kann man nur beantworten, wenn man die 30-minütige Führung aufmerksam verfolgt; dann geht es ganz schnell. Ansonsten wird es eine Entdeckungsreise“, so Erhard Nötzel. Anmeldungen sind das ganze Jahr über möglich. Die Rallye findet außerhalb der Öffnungszeiten des Heimatmuseums am Casper-Döring-Pad statt.
Neues mit Geschichte
Die Exponate im Seemannshus sind in der Regel Spenden von Einheimischen und Urlaubsgästen. Kürzlich überreichte eine Urlauberin, die seit Jahrzehnten auf die Insel kommt, Erhard Nötzel einen Klick-Fern- seher: 16 Fotos von Langeoog aus den 1970er-Jahren sind in dem Mini-Plastik-Apparat zu betrachten.
Von Norda Westerkamp bekam das Museum eine alte Wanduhr aus dem Jahr 1890, die die Langeoogerin von ihrem Vater Dieter Westerkamp geerbt hatte und die nun im Seemannshus hängt.
Seit Neuestem gehört auch eine weitere Erinnerung an die Sängerin Lale Andersen zum Museum: eine Stehlampe, die Andrea-Katharina Schraepler aus dem Nachlass ihrer Eltern dem Verein schenkte. In den 1970er-Jahren hatte ihre Familie die Ferien auf Langeoog verbracht. Ihr Vermieter war Björn Wilke, ältester Sohn der Sängerin, der in deren einstigem Wohnhaus, dem „Son-nenhof“, eine Pension betrieben und die Lampe an Andrea-Katharina Schraeplers Familie verkauft hatte.
Zu sehen ist auch ein neuer Film: Solveig Flörke, deren Familie das „Hotel Flörke“ betreibt, hat durch Feriengäste einen Film von 1935 gefunden, der nun gekürzt auf der Medienstation – und in Ausschnitten auf der Webseite des Vereins – zu sehen ist. „Frohe Ferientage auf der Nordseeinsel Langeoog“ heißt er. Eine klassische Strandszene ist zu sehen – „aber sie haben auch andere Sachen gemacht“, merkt Erhard Nötzel an: Da werden Fässer und ein Riesenball gerollt, für Kinder gibt es Eselreiten am Strand. Der Bademeister sieht in seiner Uniform fast aus wie ein Kapitän und hat statt Trillerpfeife eine Tröte in der Hand, eine Strandverkäuferin trägt ein Joch mit jeweils einem Korb rechts und links auf den Schultern und mit Kapitän Leiß geht es zum Seesternfang hinaus aufs Meer. „Heute fahren sie zu den Seehundbänken, das hat sie damals gar nicht interessiert. Auch nicht der Dünenschutz“, bemerkt Erhard Nötzel, als in einer Szene Urlauber durch die Dünen spazieren.
Buchpremiere – Lesung im Garten
Auf großes Interesse stieß Ende Juli die Lesung von Jörg Echternkamp . Der Historiker stellte die ersten zwei Bände „Langeoog – Biographie einer deutschen Insel“ vor. Die Buchpremiere fand im Garten des Seemannshus statt und war so gut besucht, dass für einige Zuhörende nur noch Stehplätze zur Verfügung standen.
Auf den ersten Blick scheint es ungewöhnlich, dass ein Historiker aus Potsdam über Langeoog schreibt. Doch der Autor komme seit seiner Kindheit auf die Insel, habe eine persönliche Verbindung zu Langeoog, erklärt Erhard Nötzel. So geschah es auch im Urlaub auf der Insel und nicht an der Uni, dass Jörg Echternkamp feststellte, dass es über die Geschichte der Insel alles Mögliche gebe, aber keine auf Quellen beruhende, wissenschaftlich aufgearbeitete Literatur. „Wenn dich das so nervt, dann mach es doch selbst“, erinnert er auf der Lesung an die Aussage seiner Ehefrau. Und so kam es.
Während seine Frau zum Strand ging suchte er das Rathaus auf, um sich kundig zu machen. Das dortige Archiv war seine erste Anlaufstelle. Es folgten Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, das Sichten von Gerichtsakten, Kirchenbüchern, Briefen, Tagebüchern; die Langeooger Kirchengemeinde half und der Heimatverein, das Niedersächsische Landesarchiv in Aurich, das Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg, das Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde. Fakten sichern, Thesen be- oder widerlegen, die Alltagsstimmung der damaligen Zeit einfangen – all das gehörte zu seinem Vorgehen. Erhard Nötzel sieht die herausgearbeitete Inselgeschichte stellvertretend für alle ostfriesischen Inseln, konkretisiert auf Langeoog.
Während der Lesung erzählte Jörg Echternkamp vom Bauboom auf der Insel Ende des 19. Jahrhunderts, vom Dünensingen, das als Inszenierung der „Volksgemeinschaft“ in den 1930er-Jahren entstand, von Straßennamen, die im gleichen Zeitraum umbenannt wurden, vom Bäder-Antisemitismus und von der Familie de Heer, die 1938/39 von der Insel fliehen musste, da Margarete de Heer jüdische Wurzeln hatte.
Für die Familie sind diesen Sommer Stolpersteine unterhalb des Wasserturms verlegt worden; dort stand einst ihr Café Dünenschlößchen. Ihre Geschichte hat Autor Christoph Lowes aufgeschrieben; die Broschüre ist unter dem Titel „Das verlorene Café. Eine vergessene Geschichte von Langeoog“ vom Heimatverein Langeoog mit einer Einführung von Jörg Echternkamp herausgebracht worden. Sie kann für 3,– Euro im Seemannshus und in der Buchhandlung Krebs erworben werden. Die beiden Bände „Langeoog – Biographie einer deutschen Insel“ sind als Doppelband für 29,95 Euro ebenfalls in der Langeooger Buchhandlung Krebs erhältlich. Die Bände 3 und 4 sind in Vorbereitung.
-jeg