Frischer Wind für historische Mauern

Diakonie Bethanien übernimmt Familienferienstätte Haus Kloster Loccum am Hospizplatz

Einst als Hospiz gegründet, ist das Haus Kloster Loccum seit langer Zeit als Familienerholungsstätte bekannt. Viele Jahre haben Thomas und Hanna Behncke das Haus am Hospizplatz geleitet, doch wirtschaftliche Gesichtspunkte führten zur Kündigung des Pachtvertrags.

Von der beabsichtigten Auflösung des Vertrags hatte Dr. Marc Deffland durch den „Inselfunk“ erfahren. Ebenso vom Umstand, dass auch eine weitere Familienerholungsstätte ihre Türen schließen wolle. Der Betriebsleiter des Hotels Bethanien an der Barkhausenstraße braucht nicht lange zu überlegen. Er nahm Kontakt zu beiden Einrichtungen auf: „Es war noch sehr unklar, wohin die Reise gehen würde“, berichtet Marc Deffland.

„Etwas Neues ausprobieren“
Anna-Lena Rex und Dr. Marc Deffland sind für die Leitung und zukünftige Ausrichtung des Haus Kloster Loccum verantwortlich. Foto: Diakonie Bethanien Das Kloster Loccum als Eigentümerin der 1885 auf Langeoog eingeweihten Immobilie hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Lösung gefunden, wie das Haus nach Auslaufen des Pachtvertrags weiterverwendet werden könnte. Auch ein möglicher neuer Pächter war noch nicht in Sicht.

Marc Deffland bedauerte das absehbare Ende der Familienerholungsstätte Haus Kloster Loccum zunächst, würde hier doch ein wichtiger Teil der Insel, ein Haus an einem wunderschönen Ort, verloren gehen. Also besprach er sich mit der in Solingen ansässigen Diakonie Bethanien, die Trägerin des Langeooger Hotels ist, ob und wie das Haus unter dem Dach der Diakonie weiter betrieben werden könne.

„Wir wollten gern was ausprobieren“, beschreibt Marc Deffland die Zielrichtung. So ist die Übernahme eine „wirtschaftliche ­Herausforderung“ – ein Grund, weshalb der Pachtvertrag zunächst nur bis Ende 2027 geschlossen wurde. „Das ist ein Zeitraum, in dem wir probieren können, was für Möglichkeiten uns das Haus Kloster Loccum bietet.“ Damit sei zum einen die Ausrichtung gemeint, aber natürlich auch die Refinanzierung der Investitionskosten.

Nach der Einigung mit dem Eigentümer konnte also das Team um Marc Deffland am 1. März dieses Jahres starten. „Wir haben bei null angefangen“, erzählt der Betriebswirt, Wirtschaftspädagoge und Medizinwissenschaftler. „Meine Idee war wie bei einem Musikkonzert: Man geht an den Start und wenige Tage später ist alles ausgebucht.“ Doch dem war längst nicht so. Viele Menschen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ihren Urlaub gebucht, sodass der Belegungskalender leer blieb.

Hintergrund Familienerholungsstätte
Seit Mitte der 1990er-Jahre gibt es die sogenannten Familienerholungsstätten. Dieses ist ein Konstrukt aus den Nachkriegsjahren, wurde in den 1960er-Jahren geschaffen, um insbeson- dere kinderreichen Familien einen Erholungsurlaub zu ermöglichen. Rechtlich abgedeckt sind die Einrichtungen durch das achte Sozialgesetzbuch. Eine kleine Küchenzeile sowie eine helle und moderne Gestaltung zeichnen die Familienzimmer aus. Foto: Diakonie Bethanien

Doch im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Gesellschaft und damit auch der Bedarf an entsprechenden Unterkünften verändert. Somit kam es, dass sich der Staat rund um die Jahrtausendwende mehr und mehr zurückgezogen sowie die recht- lichen und finanziellen Rahmenbedingungen verändert hat. Für das Haus Kloster Loccum bedeutete dies, dass die notwendigen Investitionen von rund 6 Millionen Euro für die Umwandlung zur Familienerholungsstätte Mitte der 1990er-Jahre zu je einem Drittel vom Bund, vom Land und vom Träger finanziert wurden.

Durch den Rückzug des Staates ist die Zahl der Familienerholungsstätten bundesweit auf unter 100 zurückgegangen; es ist also laut Marc Deffland kein Inselproblem, sondern spiegelt die Veränderung bundesweit wider.

Warum nun aber die Übernahme der Einrichtung durch die Diakonie Bethanien? „Wir sind ein diakonischer Träger und gehen so einen Schritt nicht, weil wir Wachstum oder Umsatz für etwas Wichtiges halten, sondern weil für uns die Frage ist: Dient es unserem Auftrag, Menschen zu helfen und im Leben zu unterstützen? Es ist für uns eine Identitätsfrage, ob so etwas wie das Haus Kloster Loccum zu einem diakonischen Träger passt“, erläutert Marc Deffland.

Neustart 2024: Herausforderungen meistern
Im lichtdurchfluteten Lesesaal kann geschmökert werden. Foto: Diakonie BethanienJetzt also der Versuch zunächst bis Ende 2027. Doch anstatt mit Buchungen überrollt zu werden, passierte erst einmal nichts, „Das war genau das Gegenteil von meiner Vorstellung“, sagt Marc Deffland. Doch schon bald sollte sich diese Situation ändern. Man wurde Mitglied der evangelischen Familienerholung, einem Zusammenschluss von knapp 100 Häusern dieser Art, die zudem die sogenannte „Familienzeit NRW“ koordiniert. Dabei handelt es sich um ein Angebot für einkommensschwache Familien in Nordrhein-Westfalen, welches durch das Land NRW mit 3,4 Millionen Euro gefördert wird. Wichtig dabei: „Es gibt eine historisch starke Nähe zwischen Kirche und Diakonie. Diese Nähe wächst am Beispiel Haus Kloster Loccum weiter zusammen, auch bei den freikirchlichen und landeskirchlichen Strukturen“, so Marc Deffland.

Damit könnten die Zimmer in Kürze belegt werden, wäre da nicht das nächste Problem – oder besser die nächste Aufgabe – erkennbar. Dieses Angebot gibt es nämlich nur mit Verpflegung zu buchen. Die vorhandene Küche im Haus Kloster Loccum indes war stark abgängig und nicht mehr nutzbar.
Doch auch diese Herausforderung sollte gemeistert werden. Das Verpflegungsangebot könnte über das Hotel Bethanien abgebildet werden, so die Idee, und zwar in Buffetform zu den entsprechenden Essenszeiten. „Das Konzept kommt an“, weiß Marc Deffland. Bisher gab es großes Lob für die leckeren Speisen aus der Bethanien-Küche.

Was die alte Küche betrifft – die ist längst Geschichte. Stattdessen wird hier eine Eventküche entstehen. Also ein neuer Treffpunkt für bis zu 20 Personen, die gemeinsam kochen, sich austauschen können. Die Gemeinschaft fördern, eben eines der Anliegen der Diakonie Bethanien. Und genau diese Idee befindet sich derzeit in der Umsetzung: alte Küche raus, Räume modernisieren, neue Küche rein. Über die Eröffnung wird noch zu berichten sein.

„Noch nie so viel Dankbarkeit erlebt“
Die ersten Sommerferien in NRW sind nun vorbei. Zeit für ein erstes kleines Fazit? „Wir haben uns für dieses Angebot auf einen Testbetrieb von zehn Wochen verständigt“, sagt Marc Deffland. Und bislang haben alle Gäste, die zu den ersten im „neuen“ Haus Kloster Loccum zählen, nur Positives berichtet. „Das sind sehr glückliche, zufriedene Gäste, die trotz schmalen Geldbeutels endlich Urlaub machen können.“ Denn: Dank der Unterstützung durch das Land NRW zahlen Erwachsene gerade einmal 50 Euro die Woche, Kinder sind mit 25 Euro die Woche dabei.

„Wir haben noch nie so viel Dankbarkeit erlebt für einen Urlaub hier auf Langeoog, das ist ein ganz großes Geschenk“, sagt Marc Deffland zufrieden und vielleicht auch kleines bisschen stolz auf das, was sie hier in kürzester Zeit geschaffen haben. Denn Langeoog ist für die Menschen, die dank des Programms aus Nordrhein-Westfalen hier Urlaub machen können, sonst unerreichbar. Dazu zählen auch viele Alleinerziehende, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen, bevor er ausgegeben wird. Doch was das mit den Menschen macht, zeigen unter anderem auch einige Zehn-Sterne-Bewertungen im Internet.

„Diese Dankbarkeit für den Aufenthalt und unser leckeres Essen – das beflügelt mich und zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Denn der Urlaub ist auch und insbesondere eine Entlastung für die Erziehenden. Dank des täglichen Kinder- programms wie Basteln, Spielen und Kindersport können sich die Erwachsenen eine Auszeit nehmen und beispielsweise Erholung am Strand finden. „Sie dürfen endlich einmal auftanken, das ist ganz wertvoll für die Eltern“, erklärt Marc Deffland.

Vielseitiges Angebot und Freiraum für Gäste
Der Spiel- und Toberaum samt Rutsche steht für die kleinen Besucher zur Verfügung. Foto: Diakonie Bethanien Und das ist im Haus Kloster Loccum für alle Generationen problemlos möglich. Eine große Empfangshalle, die sogar etwas an das Entree eines Luxushotels erinnert, lädt zum Abschalten vom Alltag ein. „Hier beginnt der Urlaub“, sagt Marc Deffland. Und der beinhaltet auch ein vielseitiges Angebot, zu dem tolle Gemeinschaftsräume, ein Spiele- und Toberaum mit Rutsche, ein Bastelraum, ein Kleinkindraum, der Lesesaal sowie ein Wintergarten gehören. Es ist eben alles weiträumig und groß ausgelegt und bietet Freiraum für alle Gäste.

Ein weiterer Pluspunkt ist die vorhandene Baustruktur aus vergangenen Zeiten: Diese passt gut zu den heutigen Herausforderungen. Denn es gibt sowohl kleinere Zimmer für Alleinerziehende mit Kind, als auch größere Appartements mit zwei Schlafzimmern für Eltern und Kinder.

Die Teilnahme am Programm „Familienzeit NRW“ ist für das kommende Jahr bereits fest eingeplant. Außerdem gibt es bereits jetzt Anfragen und Buchungen für verschiedene Gruppen, beispielsweise die katholische Militärseelsorge. Zudem ist ein Bootcamp mit christlichen Sportlerorganisationen geplant. „Wir wollen das Haus mit Gruppen beleben, die Idee des Gruppenhauses wieder mehr in den Vordergrund stellen und unterschiedliche Dinge ausprobieren“, erklärt Marc Deffland. Dabei soll die Familienzeit immer ein großes Puzzlestück in der Mitte bleiben.

Am Anfang stand also die Frage im Raum, wie der Betrieb im Haus Kloster Loccum aussehen könnte. Dann aber kamen Ideen ans Tageslicht und zeigen bis jetzt: „Es geht auch anders als gedacht. Wir gehen jetzt unseren Weg und probieren uns aus. Das Bild des neuen Haus Kloster Loccum formt sich“, so Marc Deffland. „Wir denken von Woche zu Woche und arbeiten nicht nach klassischer Betriebswirtschaft mit Kennzahlen, sondern probieren uns Stück für Stück aus, was gerade zusammenpasst.“

-utk-