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„Gutmensch ist kein Problem für mich“

Uwe Garrels gründete vor einem Jahr eine Initiative zur nachhaltigen Lebensweise – die Treffen ruhen gerade, die Aktivitäten nicht

Setzt sich für eine nachhaltige Lebensweise ein: Uwe Garrels, der seit 40 Jahren als Wattführer arbeitet. „Nachhaltigkeit steckt in allem, wenn man so will“, sagt Uwe Garrels. Für den ehemaligen Langeooger Bürgermeister ist es eine „gesellschaftliche Grundaufgabe“, die ein jeder hat. „Schließlich leben wir nicht für uns allein, sondern haben Verantwortung für unsere Umgebung, die Gemeinschaft der Insulaner und Gäste ebenso wie für unsere fantastische Wattenlandschaft mit all den Pflanzen und Tieren, die für Leben in der Bude sorgen“, erklärt er.

Vergangenes Jahr hat er deshalb die Initiative „Aufbruch Langeoog 2023 – eine Wegesuche zu einer nachhaltigen Lebensweise“ ins Leben gerufen. Es ist eine kleine Gruppe. Zu siebt haben sie sich über die Themen Ernährung, Müll, Abfallvermeidung und Energie ausgetauscht. Jeder habe da seinen Schwerpunkt, sagt Uwe Garrels.

Anfangs haben sie sich alle drei Wochen in der Inselschule getroffen. Das Netzwerk besteht weiterhin, doch die regelmäßigen Treffen ruhen zurzeit. „Ich habe zu viel um die Ohren“, so der 69-Jährige. Seit 40 Jahren bietet er Wattführungen an, ist Ratsmitglied, ehrenamtlich bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger (DGzRS) tätig. Seit einer Weile ist er gemeinsam mit anderen Langeoogern auch in der Wohnraum AG aktiv, die vergangenen Sommer entstanden ist. Wohnraum für Menschen, die auf Langeoog leben und arbeiten, zu schaffen und was damit alles zusammenhängt – darum geht es der AG. „Das ist auch ein großes Thema der Nachhaltigkeit auf Langeoog“, so Uwe Garrels.

Frösche und ein „anständiger Mietvertrag“
Von einem Erfolgserlebnis erzählt Uwe Garrels: Eine Langeoogerin konnte er davon überzeugen, ihre Wohnungen, die sie selbst nicht mehr an Feriengäste vermieten kann, an Dauermieter zu vergeben. Bei der Umwandlung sei einiges zu beachten gewesen, sagt Uwe Garrels. „Mietwohnungen haben andere Anforderungen als Ferienwohnungen, sie brauchen einen Abstellraum, einen Fahrradunterstellplatz, Telekommunikation ist ein Thema, die Nebenkostenerfassung muss gerecht erfolgen, die Grundstückspflege und das verträgliche Zusammenleben auf dem Grundstück müssen geregelt werden, eine mit Fachleuten abgestimmte Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Eigentümerin, da hat es neben einem anständigen Mietvertrag einiges im Vorfeld zu regeln gegeben“, fasst Uwe Garrels zusammen. Er sei der Dame sehr dankbar für ihren Mut, zumal es auch zu unerwarteten Herausforderungen gekommen sei. „Da ist es wichtig, als Ansprechpartner für beide Seiten zur Verfügung zu stehen“, betont er.

Eine der Wohnungen konnte von der neuen Lehrerin der Inselschule bezogen werden. Die Schulleiterin hatte für ihre Kollegin gesucht. „Ich verbinde die Leute gerne miteinander“, freut sich Uwe Garrels. Nicht „allein wurschteln“, sondern im Austausch sein, das sei wichtig und: „Dass der Lebensraum für Menschen gesichert ist, die hier wohnen und arbeiten.“ Auch er selbst und sein Sohn könnten sich vorstellen eine ihrer zwei Ferienwohnungen in ihrem Insulanerhaus als Dauermietwohnung anzubieten, wissend, dass es auch hier vorab einiges zu klären gibt.

Schneller haben sich andere Nachhaltigkeitsthemen umsetzen lassen: So mäht Uwe Garrels nur noch einmal im Jahr seinen Rasen kurz und freut sich an den unterschiedlichsten Pflanzen, die sich so bei ihm im Garten ausbreiten. Er düngt nicht mehr zusätzlich, hat dafür seinen Kompost und nutzt nur noch, was der Boden und Gartenabfälle selbst liefern. Seit letztem Jahr sind auch wieder Frösche im Garten, weil sie mehr Feuchtigkeit, Deckung und Nahrung finden.

An tausend Stellschrauben drehen
Wenn er für die Ferienwohnungen zum Beispiel neue Bade­tücher braucht, achtet er darauf, dass sie GOTS-zertifiziert sind [Anm. d. Red.: GOTS ist die Abkürzung für Global Organic Textile Standard; das Gütesiegel steht für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern]. „Sie sind in der ­Investition dann zwar teurer, doch die Kosten der Umwelt­belastung sind entsprechend geringer. Vorrangig gilt aber zunächst, die vorhandene Wäsche möglichst lange zu nutzen, um möglichst wenige Rohstoffe zu verbrauchen. Meine Abfallmengen haben sich drastisch verringert, seitdem ich daran feile, wie es auch anders geht“, hat er festgestellt.

„Mancher findet das spinnert oder hält das für Gutmenschentum. Aber: Gutmensch ist kein Problem für mich“, lautet seine Meinung. Man müsse nun einmal an tausend Stellschrauben drehen, dürfe es nicht sein lassen, ist seine Überzeugung. „Das tun inzwischen viele Menschen auf der Insel täglich auf ihre Weise und an ihrer Stelle. Das Thema Nachhaltigkeit ist so groß und es ist inzwischen in jeder Angelegenheit zu beachten. Das ist eine gute Entwicklung und bei all den negativen Nachrichten zur Klimakrise darf man nicht vergessen, dass es auch in der Krise gute Tage gibt und keinen Grund, den Weltuntergang herbeizureden“, ist Uwe Garrels überzeugt.

Schließlich gebe es Kinder, die eine Zukunft haben und mit Zuversicht leben müssten. Er erzählt von einer seiner letzten Wattführungen: Eine Mutter sei am Ende der Führung zu ihm gekommen. Ihr Kind habe gesagt, „er schüttet einem ja sein ganzes Herz aus.“ Das habe ihn berührt. „Das, was ich tue, will ich mit ganzem Herzen machen, dazu kann ich Schwarzsehen nicht gebrauchen.“

-jeg-

Wer Interesse hat sich in die Initiative einzubringen, kann sich telefonisch (Mobilnummer: 0151 42173189) an Uwe Garrels wenden.

„Es braucht die Menschen“

Initiative zur nachhaltigen Lebensweise auf Langeoog trifft sich alle drei Wochen

Die Wiese mäht Uwe Garrels seltener als früher, sticht die Kanten auch nicht mehr ab. Das Laub lässt er auf den Beeten liegen. Und die Terrassen hat er verkleinert, um mehr Platz für Pflanzen zu schaffen. Im Garten gibt es schon lange einen Komposter, der nun auch für seine Feriengäste da ist. Vor etwa einem Jahr hat der ehemalige Bürgermeister Langeoogs, der seit Jahrzehnten als Wattführer arbeitet, begonnen, für mehr Nachhaltigkeit in seinem Leben zu sorgen.
Nachhaltige Lebensweise: Uwe Garrels nutzt die Forke nicht nur, um als Wattführer seinen Gästen einen Wattwurm zu zeigen, sondern auch, um seinen Kompost für den eigenen Humus umzugraben. „Wir leben in einem endlichen System“, sagt er. Ohnmacht entstünde durch all die Nachrichten zur Klimaveränderung. Doch der Satz: „Ich kann ja sowieso nichts tun“, ist Quatsch, davon ist er überzeugt. „Wir haben ein globales Problem, das man nur vor Ort lösen kann. Die Politik muss sich dieses Problems annehmen, aber jeder einzelne muss es auch angehen. Es braucht die Menschen. Ich muss mich auf den Weg machen. Veränderung gehört zum Leben. Wenn man das akzeptiert, verliert man auch die Angst. Es hat sich immer alles geändert. Gut ist, wenn man Ansprechpartner hat, in Kommunikation gehen kann“, sagt er, „um Rat, Ermutigung und Hilfe zu bekommen.“
Das sei für ihn auch der Grund gewesen, Ende März zu einem ersten Treffen im Haus der Insel einzuladen. Die Initiative hat er „Aufbruch Langeoog 2023 – eine Wegesuche zu einer nachhaltigen Lebensweise“ genannt.
Zu siebt tauschten sie sich über die Themen Ernährung, Müll, Abfallvermeidung und Energie aus. „Nachhaltigkeit funktioniert als Gemeinschaftsprojekt“, ist sich Uwe Garrels sicher. ­Eineinhalb Stunden hätten sie bei diesem ersten Treffen zusammengesessen. Jeder habe erzählt, warum er gekommen sei, welches Thema ihn beschäftige. Geplant sei, sich alle drei Wochen zu treffen, auszutauschen und zu schauen, wer was umsetzen könne. „Die Leute sollen merken, was wichtig für sie ist und sich dann auf den Weg machen. Es hat keinen Sinn, Menschen zu überreden. Ich möchte lieber etwas mit Leuten zusammen machen, die freiwillig dabei sind“, unterstreicht Uwe Garrels.
Treffpunkt seit Mitte April ist die Inselschule. Beim vergangenen Treffen wurde sich als erstes Schwerpunktthema auf die Ernährung konzentriert. „Bei der Ernährung ist auch die Entsorgung, die CO2-Bilanz, die Verpackung ein großes Thema. Daher werden wir uns damit nun auseinandersetzen, das war uns allen wichtig“, erklärt Uwe Garrels. Er selbst hat seit einer Weile seine Ernährung umgestellt hat: Viel Obst und Gemüse, regionale Produkte kauft er ein; Kräuter baut er im Garten an. „Ich bin froh, die Umstellung gemacht zu haben. Ich habe kaum noch Verpackungsmüll, da ich meist alles unverpackt kaufe. Ansonsten kann ich alles kompostieren. Fleisch esse ich kaum noch, dafür viel Rohkost und halbrohes Gemüse – das bekommt mir total gut“, sagt er.
Eine nachhaltige Lebensweise bedeutet für ihn auch, dass er weniger konsumiert: „Klamotten brauche ich für den Rest meines Lebens kaum noch zu kaufen“, sagt der 68-Jährige. Außerdem wolle er im Garten mit seinen Nachbarn die Durchgänge zu den Grundstücken öffnen, weil es so „kommunikativ“ einfacher sei, sich zu treffen. Gleichzeitig freut er sich über die Tiere, die nun in seinem naturnahen Garten auftauchen – drei Frösche sind ihm kürzlich begegnet.
Seine individuelle nachhaltige Lebensweise ist für ihn „Lebensfreude“. Es mache ihm Spaß. Für ihn sei es eine Bereicherung und er gehe optimistisch an die Dinge heran. Die Begeisterung weiterzutragen sei ihm wichtig, um Verbindungen, Lerneffekte zu schaffen, wie er sagt. „Ob die anderen es haben wollen, ist die andere Frage.“

-jeg-

Inselbewohner, die Interesse haben, sich in die Initiative einzubringen, können sich an Uwe Garrels (Telefon: 0151 42173189) wenden oder zum nächsten Treffen am 5. Mai 2023 um 19.30 Uhr in die Inselschule kommen.