Archiv der Kategorie: Inselgeschichten

„Gelb“ oder „Rot“? Die Wahrheit liegt auf der Straße …

Jahresboßeln des Langeooger Boßelclubs „van’t Pad aff“ am 25. Januar 2025

Das Boßeln, Ostfrieslands Nationalsport, hat auch auf der Insel seine überzeugten Anhänger. Dies belegt das aktuelle Spielprotokoll des Boßelclubs „van’t Pad aff“ deutlich. Langeoogs vermutlich älteste aktive Boßelgruppe, die ihren vermutlich 35. Geburtstag feierte, legte sich erneut mächtig ins Zeug. Was der vorliegende Bericht zeigt, der sich am besten mit einem Augenzwinkern liest.

Boßel
Boßelwettstreit des Clubs „van’t Pad aff“: Während Hajo Sanders (2.v.r.) für die Gelben zum Wurf antritt, behält Grogwart „Nüßi“ (3.v.r.) vom Team „Rot“ vorsichtshalber den Versorgungswagen im Auge. (Alle Fotos: Boßelteam)

Wer kennt sie nicht, die Qualen nach Wahlen? Die wichtigste Wahl in diesem Jahr wurde bereits am Samstag, 25. Januar 2025 getroffen: Gelb oder Rot, Locke oder Norderriff, Sieg oder Niederlage. Der Saisonhöhepunkt des weltberühmten Langeooger Boßelclubs „van’t Pad aff“ stand an. Zum wahrscheinlich 35-jährigen Jubiläum traf sich fast alles, was Rang und Namen im Boßelsport hat.

Die Teilnehmerliste …
las sich wie ein „Who’s who“ der Boßelszene: Dirk Dollmann, der nach England verkaufte „Global Head of Bossel“, war genauso dabei wie der Amsterdamer Boßel-Vivaldi Hajo Sanders, der eigens für die Langeooger Meisterschaft den „Elfsteden-Kloot“ in Holland hatte ausfallen lassen. Die Boßelsparte des HSV konnte in diesem Jahr mit Jörg und Merle Lühring lediglich zwei Asse abstellen, ohne die fußballerischen Ambitionen des Vereins gänzlich aus den Augen zu verlieren. Das Jahrhunderttalent Ole „The Hammer“ Lühring musste aus terminlichen Gründen absagen – Vertragsverhandlungen mit „Fleu Herut“ Liverpool verhinderten die Teilnahme.
Vom Erstligisten aus Bremen wieder dabei waren Deichgraf Hauke Krebs nebst Gefolge von Neeltje und Carlotta, die mit ihrer verfeinerten Binnendiek-Trainingsmethode am Seedeich ihre Vorteile ausspielen konnten. Als rheinisches Zweigestirn kaschierten „Boßel-Loreley“ Eva und Thorsten „Nüßi“ Neehuis ihren Trainingsrückstand durch die starke Motivationsformel „Sanddorngrog für alle“. Auch die Braunschweiger Löwen Claudia und Jens „Mäc“ Hapke waren in diesem Jahr wieder extrem bissig. Sie sollten der eigentliche Grund für die Anwesenheit der zahlreichen internationalen Spielerbeobachter sein. Und trotz einjähriger Verletzungspause ließ es sich das friesische Naturtalent Karina Ziersch nicht nehmen, dem Boßelcup 2025 ihren Stempel aufzudrücken.
Schwer vermisst wurde in diesem Jahr Carsten Dörr, der „Straßenhobel von Rastede“. Derzeit am Boßel-Arm leidend, war er im Aufbautraining und wünschte den Teams einen fairen Wettkampf. Gleichfalls verhindert war Boßel-Queen Sonja Dollmann, die zusammen mit ihren Zofen Mia und Emma einen Nachwuchswettkampf im Buckingham Palace (mit den Kindern von William und Kate) organisierte. Sie arbeitet für 2026 an einem Comeback.

Boßel
Nicht vom Siegerpodest, sondern von unterwegs grüßen die friedlich vereinten Boßel-Akteure (jeweils von links nach rechts). Untere Reihe, stehend: Jens „Mäc“ Hapke (Team „Gelb“), Claudia Hapke (Team „Rot“), Eva Neehuis (Rot), Jörg Lühring (Rot) und Deff Westerkamp (Gelb); mittlere Reihe: Hauke Krebs (Gelb), Thorsten Neehuis (Rot), Hajo Sanders (Gelb), Dirk Dollmann (Rot) und Karina Ziersch (Rot); oben: Carlotta (Rot), Neeltje Krebs (Gelb) und Merle Lühring (Gelb).

Der Anwurf rollte pünktlich …
um 13.30 Uhr über das holperige Langeooger Straßenpflaster. Und wer von den neutralen Zuschauern glaubte, Team „Rot“ als letztjähriger Sieger hätte diesmal leichtes Spiel, sah sich getäuscht. Von Anfang an entbrannte ein Duell auf Augenhöhe, keinem Team wurde etwas geschenkt. Zwar ging Team „Rot“ um Captain Dirk Dollmann kurzzeitig in Führung, das wurde aber durch den Kampfgeist von Team „Gelb“ um Kapitän Deff Westerkamp bis zur Pause am Deichschart egalisiert.
Nach kurzer Einkehr im Deichcafé und einer wärmenden Stärkung mit einem vitaminreichen friesischen Aufbaugetränk, dargereicht von Grogwart „Nüßi“, wartete die eigentliche Herausforderung der diesjährigen Boßelstrecke: der von frenetischen Fans beider Lager gesäumte Seedeich. Auch in diesem Jahr wurde er für den einen und anderen zum sportlichen Offenbarungseid. An diesem grasgrünen Bollwerk sind schon so manche Boßelträume zerschellt.
Noch waren beide Teams gleichauf. Aber während sich Team Rot auf seinem Vorjahressieg auszuruhen schien, bewährte sich neben den Bremer Deichsportakrobaten vor allem die Braunschweiger Schwinge, die niemand so beherrscht wie „Mäc“. Auch diesmal boßelte er wieder schneller als sein Schatten. Vereinzelte Ausrutscher der Teamkollegen blieben folgenlos.

Boßel
Team „Gelb“ um Captain Deff (2.v.r.) bejubelt seinen Sieg. Wie im Vorjahr unbeeindruckt zeigt sich – als Unparteiischer – der Hund (r.).

„Gelb“ zieht davon – eine Analyse
Team Gelb hatte aus dem Einbruch im letzten Jahr gelernt und war mental gereift. So fiel Schöt up Schöt und schnell stand es 6:2. Doch während man voriges Jahr die Korken vorschnell hatte knallen lassen und noch verloren hatte, wurde in diesem Jahr neben den Tassen auch die Konzentration hochgehalten.
Ein Jahr lang war die Niederlage von Team Gelb aufgearbeitet und in wochenlangen Videoanalysen die Ursache ergründet worden. Technikschulung, Mentaltraining und Ernährungsumstellungen sorgten für die richtige Vorbereitung auf das wichtigste Sportereignis des Jahres. Das sollte sich auszahlen: „Es war eine sportliche Meisterleistung, die in ihrer Professionalität einmalig war“, gaben sich Insider schon vor Schluss der Partie sicher.
Team Rot raufte sich noch einmal zusammen und konnte den Rückstand, nicht zuletzt durch die ein und andere Cäciliengroder Kelle von Karina, noch verkürzen. Doch die Niederlage ließ sich nicht mehr abwenden. Und so endete der sportliche Saisonhöhepunkt mit 8:5 für Team Gelb.
Die Zuschauer standen Kopf: Team Gelb wurde frenetisch gefeiert, unzählige Autogramme wurden geschrieben und Champagnerflaschen geköpft. Selbst der Bundespräsident ließ es sich nicht nehmen, unmittelbar nach Spielende dem Siegerteam zu gratulieren. Überschattet wurde die Veranstaltung indes durch die anonymen Aussagen eines Whistleblowers: Der stach Pläne des saudischen Sportministeriums durch, den Langeooger Boßelcup 2026 im Rahmen eines langjährigen und hochdotierten Vertrags nach Saudi-Arabien zu holen. – Sämtliche Boßler dieses Tages waren sich der globalen Tragweite ihrer Leistungen bewusst. Sie wollten das Angebot am Abend bei Grünkohl und Pinkel im „In’t Dörp“ noch einmal prüfen … -Deff Westerkamp-

„Monster-Lauf“ über die Kreidefelsen

Langeooger Langstreckenläuferin Angelika Michael absolvierte den „X-trem Ultramarsch“-Lauf auf Rügen

Angelika Michael Lauf
So weit, so fit: Angelika Michael 15 Sekunden vor dem Start am Hafengelände von Sassnitz. (Foto: privat)

Sport ist ihr Leben – und Laufen gehört dazu. Ob 10.000 Meter Sanddornlauf auf Langeoog, ob 31 Kilometer Hermannslauf über den Kamm des Teutoburger Waldes oder der Hannover-Marathon durch die Straßen der Landeshauptstadt: Angelika Michael hat sich der Langstrecke verschrieben.
In den vergangenen Jahren hat die Langeoogerin schon die unterschiedlichsten Läufe absolviert. Gesundheitlich bedingt musste sie längere Zeit pausieren. Doch 2024 war sie wieder am Start – mit nichts Geringerem als dem „X-trem Ultramarsch“ auf ihrer Heimatinsel Rügen.
Angeboten wurden zwei Distanzen: 60 Kilometer, die in 14 Stunden sowie 120 Kilometer, die in 26 Stunden zu absolvieren sind. Angelika Michael entschied sich für die 60 Kilometer. Die Strecke führte rund um die Halbinsel Jasmund, das Höhenprofil wies Gefälle und Steigungen von insgesamt jeweils über 500 Metern auf.
Die Idee zur Teilnahme war allmählich gereift: „Ich habe viel über Mammutmärsche, Ultramärsche gelesen und dann wollte ich mich dieser Herausforderung stellen, einfach mal ausprobieren und sehen, wo meine Grenzen sind. Und mir war klar: Wenn ich probiere, so etwas zu machen, dann nur auf Rügen.“
Denn: „Rügen ist meine Heimat, da hat es mich förmlich hingezogen.“ Mehrere Monate bereitete sie sich physisch und mental auf den Ultramarsch vor: mit Joggen, Mountainbiking und Krafttraining. Ihre Erkenntnis: „Ein solcher ‚Monsterlauf‘ ist reine Kopfsache.“

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Treppe hoch: Gleich zu Beginn des Rügener Ultramarsches waren die ersten Höhenmeter zu überwinden. (Foto: privat)

Ultra-Start in Sassnitz
Gestartet wurde am 15. Juni um 8 Uhr morgens in Sassnitz. Die Teilnehmerzahl war auf 250 begrenzt. Davon hatten sich 126 für den 60-Kilometer-Marsch entschieden und 124 für den 120-Kilometer-Marsch. Angelika Michael war erst am Vortag 650 Kilometer allein mit dem Auto nach Rügen angereist: „Das hat mich geschafft.“ Den Ultramarsch sollte man aber nie alleine machen: „Also habe ich mich nach einem Wanderpartner umgesehen und auch gleich gefunden: eine nette Frau aus Berlin. Wir haben uns super verstanden und eine neue Freundschaft ist entstanden.“
Nach dem Start ging es zunächst in die Buchenwälder des Jasmunder Nationalparks: „Wir liefen durch eine atemberaubende Landschaft, mit unerwartet vielen Treppen und Höhenmetern, entlang der Kreidefelsen in Richtung Königstuhl“, berichtet die Langeoogerin. Die ersten zehn Kilometer spielte das Wetter mit. „Dann jedoch folgten zwei Stunden Regenschauer, wir rutschten praktisch nur noch durch den Wald.“ Es ging über Feld- und Radwege, durch unwegsames Gelände, Matsch, Brennnesselfelder, durchweichte Forstwege – „also alles, was man für einen Ultramarsch braucht!“
Den zunehmenden Strapazen begegneten die beiden Lauffreundinnen aus Langeoog und Berlin gemeinsam: „Wir haben uns im Laufen wechselseitig die Wasserflaschen aus dem Rucksack gezogen, um keine Zeit zu verlieren.“ Zudem hätten sie an den Verpflegungsposten nur ganz kurze Pausen von fünf Minuten gemacht, und zwar im Stehen: „Bloß nicht hinsetzen, denn dann kommst du nicht mehr hoch.“

Angelika Michael Lauf
Geschafft – und glücklich: Im Ziel angekommen, präsentiert Angelika Michael stolz ihre Medaille. (Foto: privat)

„Absolute Kopfsache“
Sie habe viele Zehntausendmeterläufe absolviert, zählt Angelika Michael auf, sei Halbmarathons, Marathons und fünfmal den Hermannslauf gelaufen. „Aber das alles war ein Spaziergang gegen diesen Ultramarsch. Das hätte ich nie gedacht, doch bei diesem Lauf werden ganz andere Muskelpartien beansprucht.“
Es sei absolute Kopfsache, denn der Körper wolle irgendwann nicht mehr. Viele hätten unterwegs aufgegeben. „Aber du siehst nur das Ziel und versuchst, die Schmerzen auszublenden. Da hat alles seine Zeit, die Blasen an den Füßen, der ­Rücken … ja, und auch die Motivation lässt nach. Aber 650 ­Kilometer von Langeoog nach Rügen zu fahren, um dann aufzugeben, das war für mich keine Option.“
Nach gut elfeinhalb Stunden kamen die beiden um 19.31 Uhr im Ziel an. „Ich habe den 34. Platz gemacht“, freut sich Angelika Michael. „Da ich noch nie so einen Marsch unternommen habe, bin ich sehr stolz darauf.“
Ihr Fazit: „Es war ein wunderbares ­Gefühl, wieder auf Rügen zu laufen. Unterwegs kamen mir viele Erinnerungen an früher, denn die Wege des Laufes waren auch Wege der Kindheit“, berichtet die Läuferin, die noch viele Kontakte auf der Ostseeinsel hat. So besuchte sie während ihres insgesamt einwöchigen Aufenthalts auch ihren auf Rügen lebenden Bruder.
„Zwischendurch habe ich mich schon gefragt: ‚Warum mach’ ich das alles?‘ Heute weiß ich die Antwort: Ich habe alles richtig gemacht, habe meine Grenzen ausgetestet und teilweise auch überschritten. Es war sehr schwer, aber ich bin glücklich: Geschafft ist geschafft – und das kann mir keiner nehmen.“
Auf ein Neues im Jahr 2025: Angelika Michael studiert im ­Internet bereits die nächsten Termine. Auf einen bestimmten Lauf festlegen will sie sich noch nicht, aber: „Ich suche nach neuen Herausforderungen.“ -köp/ut-

Apfelbäume eingeschult

Der Naturgarten der Inselschule nimmt Gestalt an

Naturgarten
Neu an der Inselschule: Der Alantapfel ist eine alte norddeutsche Apfelsorte aus dem 16. Jahrhundert. (Foto: Deff Westerkamp)

Das einladend sonnige Wetter der vergangenen Wochen hat viele Gärtner zurück in ihre Gärten getrieben. Auch die Schülerinnen und Schüler der Inselschule und viele engagierte Langeooger krempelten die Ärmel hoch und schwangen Hacke und Spaten.
Nach großflächiger Beseitigung der invasiven Kartoffelrose auf dem Schulgelände und drum herum wurden im ersten Pflanzabschnitt fünf Apfelbäume auf der geplanten Streuobstwiese „eingeschult“. Viele freiwillige Helfer engagierten sich, um den Apfelbäumen den Umzug an die Inselschule und die Integration in den mageren Langeooger Sandboden so angenehm wie möglich zu gestalten. Kompost, Kalk und Dünger erleichtern den alten regionalen Apfelsorten den Start in ein neues Leben.

Naturgarten
Vorher-Foto: Nach der groben Beseitigung invasiver Kartoffelrosen mit Bagger und Hacke war die Fläche noch eine Sanddüne. Nachher-Fotos folgen in den nächsten Monaten. (Foto: Deff Westerkamp)

Der Apfel ist ein uraltes Symbol der Erde und steht für Liebe, Fruchtbarkeit und Leben. Ob Schneewittchen, Eva oder Aphrodite: Der Apfel galt schon immer als mythische Frucht für Leben und auch für Tod. Das Zitat Martin Luthers „Wenn ich wüsste, dass morgen der Jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, stellt die herausragende Bedeutung des Apfels in unserer Kultur dar.
Der Naturgarten an der Inselschule ist sehr bewusst vielfältig angelegt, um einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren einen ­Lebensraum zu geben, in dem sie sich zu einem Netzwerk ­entwickeln. Wer Fledermäuse fördern will, muss nachtaktive ­Insekten fördern, die wiederum von nachtblühenden Pflanzen leben. Wer weiß schon, dass von den 3.700 Schmetterlingsarten in Deutschland über 3.000 Arten Nachtfalter sind?

Naturgarten
Helena Eule hebt mit ihrer Tochter ein großes Loch für einen Apfelbaum aus. (Foto: Deff Westerkamp)

Verstecktes Leben in Hecken entdecken
Neben der Streuobstwiese, die Mitte April mit Beginn der warmen Jahreszeit eingesät wird, will das Team weitere Biotope für verschiedene Lebensgemeinschaften schaffen. Mitte März wurden mit vielen engagierten Helfern eine artenreiche Hecke (20 verschiedene heimische Straucharten) gepflanzt, die Wildbienen, Schmetterlingen, Käfern und Vögeln ein neues Zuhause geben.

Naturgarten
Lehrerin Kirsten Rottmann, Karina Ziersch und David graben Pfähle für den benötigten Rehschutzzaun ein. (Foto: Deff Westerkamp)

Dieser neue Lebensraum muss allerdings vor dem zerstörerischen Einfluss der Rehe geschützt werden, weshalb ein aufwendiger und teurer Wildschutzzaun die junge Hecke in den ersten Jahren vor Verbiss schützen muss. Jetzt gilt es, die jungen Pflanzen bis zum Herbst regelmäßig zu gießen, damit die sensiblen Wurzeln im Langeooger Dünensand Fuß fassen.
Hecken hatten in der Geschichte der Menschheit eher abgrenzenden Charakter. Tiere haben Hecken dagegen als Lebensraum immer verbindend betrachtet. Im Frühjahr laben sich Wildbienen an den Blüten der Salweiden und Schlehen und schwärmen im Frühsommer über prächtige Blumenwiesen. Vielen Vögeln dienen Hecken im Sommer als Nistgelegenheit und im Herbst, wenn die Früchte der Vogelbeere und des Weißdorns reif sind, als Speisekammer.

Naturgarten
Björn Wegener engagiert sich als Vater zweier Schulkinder im Schulgarten und buddelt Löcher für die neue Wildstrauchhecke. (Foto: Deff Westerkamp)

In Planung: Sandarium und Käferkeller
Mit der Streuobstwiese und der Hecke sind die Planungen für dieses Jahr allerdings noch nicht abgeschlossen. Weitere Blumenwiesen sind in Vorbereitung und warten ab dem Sommer auf ihre Umsetzung. In der Zwischenzeit wird für Käfer und Wildbienen ein neues Zuhause entstehen. Die Schülerinnen und Schüler der Inselschule werden ein Sandarium bauen, in dem Wildbienen ihre Nisthöhlen graben können. Schließlich nisten 75 Prozent aller Wildbienen im Boden – und nicht in einem Insektenhotel.

Naturgarten
Rene Feuchtmeyer, Enno von Felde und Karina Ziersch können noch vor Sonnenuntergang den Tag mit Gießen beschließen. (Foto: Deff Westerkamp)

Die Kinder bauen zudem als Miniaturbiotop aus altem Totholz einen Käferkeller, der Käferlarven einen Entwicklungsraum bietet. – Wer sich über die Entwicklung des Inselschulgeländes zu einem Naturgarten informieren möchte, kann sich gern telefonisch an Deff Westerkamp wenden (0172-4214723).
Ein außerordentlicher Dank geht an alle Helfer und Spender, die dieses Projekt möglich machen. Um die nächsten Schritte zum Naturgarten zu finanzieren, freut sich das Team weiterhin über Spenden. Spendenkonto: Förderverein der Inselschule e.V., Sparkasse Langeoog, DE72 2855 0000 0150 9267 98.
-Deff Westerkamp-

Mit Dino und Schneemann im Wasser

Allerheiligen-Schwimmen: Kostüme und Badespaß seit 20 Jahren

Einmal im Jahr geht er baden – für drei bis vier Minuten. Und immer nur am 1. November, beim Allerheiligen-Schwimmen. Bernd Spies organisiert das Kultevent gemeinsam mit seiner Frau Annelie. In diesem Jahr feiern sie ein Jubiläum: Vor 20 Jahren ist die Veranstaltung aus einem Spaß im Freundeskreis entstanden.
Damals ging eine kleine Gruppe am 1. November, dem Allerheiligen-Tag zum Baden ins Meer. Der Anfang war gemacht, das Allerheiligen-Schwimmen geboren. Klar war auch das Ziel: Projekte auf Langeoog zu fördern, die das Gesundheitswesen und die Freiwillige Feuerwehr auf der Insel unterstützen. Dafür wurde der Verein Langeooger Allerheiligen-Schwimmer e. V. gegründet. „Wir gehen auf die 450 Mitglieder zu“, freut sich Bernd Spies. Dass die Schwimmveranstaltung zu einem Kultevent wurde, damit hatte er nicht gerechnet. „Das ist enorm.“
In diesem Jahr seien 200 Menschen im Meer gewesen. Das Wasser hatte 12 Grad, die Luft ein Grad mehr. Viele sind kostümiert baden gegangen, etwa als Dinosaurier, Hai oder als Schneemann „Olaf“ aus dem Film „Die Eiskönigin“. Aber Pflicht ist das Verkleiden nicht.
Anders als ihr Mann ist Annelie Spies eine Wasserratte. „Ich gehe das ganze Jahr. Nur an Allerheiligen nicht. Da mache ich die Fotos“, erzählt sie. Durch das Allerheiligen-Schwimmen konnte der Verein bisher viele Projekte auf der Insel unterstützen. Dazu gehörten Strandrollstühle, eine barrierefreie Umkleidekabine und Panzermatten, die Rollstuhlfahrenden den Weg zu den Strandkörben erleichtern, Übungsgeräte für die Ausbildung der DLRG-Ortsgruppe Langeoog und ein Atemluftkompressor zum Befüllen der Atemluftflasche für die Freiwillige Feuerwehr der Insel.
In diesem Jahr werden sie die Bürgerhilfe Langeoog e.V. mit einem Fahrzeug für den ambulanten Pflegedienst unterstützen. „Dafür braucht es keinen Führerschein. Und im Winter, bei Schnee oder Glatteis, kann der Pflegedienst gut zu den Patienten kommen“, sagt Annelie Spies. In den vergangenen 20 Jahren konnte der Verein 180.000 Euro für wohltätige Zwecke auf Langeoog spenden. Möglich wurde dieser Betrag durch die Mitgliedsbeiträge, die Teilnahmegebühren am Allerheiligen-Schwimmen und durch die Getränke- und Würstchenspende für das nach dem Bad anschließende Zusammenkommen – und dafür ist Bernd Spies dem Geschäft „Kramps Lütje Laden“ auf Langeoog und der Metzgerei Burkhardt aus Mannheim sehr dankbar.

Langeooger Allerheiligen-Schwimmer e. V.
Treffpunkt am 1. November ist immer an der Lale-Andersen-Skulptur unterhalb des Wasserturms. Im Anschluss an die Begrüßung und das obligate „Lili Marleen“-Ständchen gehen alle gemeinsam zum Strand. Sobald der Startschuss fällt, wird in die Nordsee gerannt und mehr oder weniger lange gebadet. Mit Begeisterung auch in nostalgischer Badekleidung oder originellen Kostümen. Näheres zum Allerheiligen-Schwimmen geben die Organisatoren kurz vor der Veranstaltung über Aushänge auf der Insel bekannt.
Der Verein freut sich über neue Mitglieder. Der Jahresbeitrag liegt bei 20,– Euro. Weitere Informationen unter www.allerheiligenschwimmer.de. Spenden können auf folgendes Konto überwiesen werden: Sparkasse Wittmund, IBAN: DE35 2855 0000 0040 0000 10, BIC: BRLADE21LER. -jeg-

Auf dem Wasser aus Leidenschaft

Die EM war für die Seglerinnen Finja und Geske Bents der Höhepunkt des Jahres. Nun geht es ums Lernen.

Einiges ist seit Ende der Sommerferien für die Zwillinge Geske und Finja Bents anders. Nicht nur, dass sie in ihrem letzten Schuljahr sind und sich auf ihr Abitur am NIGE, dem Niedersächsischen Internatsgymnasium Esens, im kommenden Jahr vorbereiten. Auch ein Abschied gehört dazu.

Zum letzten Mal sind die passionierten Seglerinnen die Mixed 420er Klasse, die Jugendklasse gefahren – allerdings auch bei einer besonderen Regatta: Geske und Finja Bents nahmen an der 420er-Europameisterschaft Jugend U 19 in Slowenien teil.

Die Langeoogerinnen trainieren im Sailing Team West, einer Kooperation aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfahlen, in Essen. In einem Boot sitzen sie jedoch nicht, beide sind Vorschoterinnen, sind jeweils vorne im Trapez, während ihre Partner – Geske fährt mit Paul Sigge aus Essen und Finja mit Julian Müller-Kauter aus Stade – als Steuermänner an der Pinne sind. Die 420er Boote sind 4,20 Meter lang, daher der Name, und rund 1,80m breit. In diesem Jahr sind sie Regatten in Schwerin, Warnemünde, Kiel und am Gardasee gefahren. Insgesamt waren es sieben, sonst seien es immer zwischen zwölf und 15 Regatten im Jahr gewesen, erzählt Finja, die mit ihrer Schwester seit 2018 an Wettkämpfen teilnimmt.

Europameisterschaft
in Slowenien

Zur Europameisterschaft sind sie zur Vorbereitung schon Ende Juni gefahren. Vom 3. bis 9. Juli war die Regatta. Außer, dass Englisch gesprochen werde, seien die Regeln bei internationalen Regatten die Gleichen und doch sei es etwas brutaler, sagt Finja. Da werde das Boot geschnitten, sich gleich angeschrien, wenn das Boot berührt werde, es werde blockiert, die Vorfahrt genommen, schneller protestiert und sich am Boot der anderen vorgezogen. „Man muss sich durchsetzen können“, sagt Geske.

Die Bedingungen waren keine einfachen. Es war heiß, 35 Grad. Sie hatten mit starken Winden und Strömungen zu kämpfen. Zwei bis drei Rennen sind sie jeden Tag gefahren, waren vier bis fünf Stunden auf dem Wasser. „Es ist ganz schön anstrengend, aber irgendwann hat man sich daran gewöhnt. Und es ist einfach ein tolles Gefühl, mit dem Boot über das Wasser zu segeln und all die Boote um einen herum zu haben“, sagt Finja und Geske ergänzt: „Manchmal fragt man sich schon, warum tu ich mir das jetzt wieder an. Aber: Es ist toll, einen Tag auf dem Wasser zu sein. In dem Moment ist man voll in seinem Film drin.“ Welchen Platz sie bei der EM-Regatta belegten, wissen sie nicht mehr, nur, dass es unter den deutschen Teilnehmenden vergleichsweise gut gewesen sei, aber im Vergleich zu den anderen Nationen nicht. „Wir waren schon traurig, weil es die letzte Regatta war“, beschreiben die 18-Jährigen ihre Enttäuschung.

Sie investieren viel in ihren Sport. Geld ist das eine. Der Seglerverein Langeoog e. V. unterstütze sie, dann natürlich ihre Eltern. Es komme schon einiges zusammen, allein 600,- Euro betrugen die Startgebühren für die Teilnahme an der EM, für die sie sich im Vorfeld qualifiziert hatten. Übernachtungskosten kommen hinzu. Der Transport der Boote zu den Wettkämpfen. Finjas Segelpartner hat ein eigenes; Geske und ihr Teampartner können ein Vereinsboot nutzen. Außerdem noch die Fahrtkosten zu Trainingslagern, zum Training nach Essen und zum IJsselmeer in die Niederlande sowie zu den Regatten. In der Saison, die von März bis in den Oktober hinein dauert, sind sie oft unterwegs. „Man fehlt da ein bisschen in der Schule“, sagt Finja, die, wie ihre Schwester, froh ist, dass die Schule ihnen die Freiheit gibt.

Seit Ende der Sommerferien ist allerdings noch eine Veränderung hinzugekommen: Die Zwillinge legen eine Segelpause ein. Bis zum Abitur im Juni werden sie ihrer Leidenschaft weniger nachgehen können. Was zuvor noch geschah: Am letzten Tag der EM-Regatta hat Finja sich den rechten Fuß gebrochen. Kurze Zeit später zog sich Geske einen Bänderriss zu. Auch am rechten Fuß. Nun steht Kraftsport auf dem Trainingsprogramm; so wie jeden Winter. Drei- bis viermal die Woche trainieren sie in einem Studio in Esens. Ab und zu macht Geske Strandsegeln auf Langeoog. Im Frühjahr werden sie dann schon einmal neue Boote ausprobieren: Auf den 420er folgt der 470er. In dieser Klasse werden nationale und internationale Meisterschaften, Weltmeisterschaften und olympische Regatten angeboten. Weiterhin wollen sie im Mixed fahren. Und nach dem Abitur? Dann wollen sie studieren. Noch ist nicht sicher, was. Aber eins steht fest, sagt Geske: „Der Studienort darf nicht zu weit vom Wasser weg sein.“

-jeg-

Vor 70 Jahren: Seenotretter finden vermisste „Nossan“

Tagelange Suche nach Frachter mit sechs Seeleuten in Seenot – DGzRS-Boot „Langeoog“ erfolgreich

In voller Fahrt: das DGzRS-Motorrettungsboot „Langeoog“. Archivfoto: Die Seenotretter – DGzRS

Es ist einer der längsten Such- und Rettungseinsätze in der ­nahezu 160-jährigen Geschichte der Seenotretter auf Nord- und Ostsee: Vor 70 Jahren verschwindet im Herbststurm in der Deutschen Bucht ein in Seenot geratener schwedischer Frachter. Tagelang fragen sich viele Menschen in Norddeutschland: Wo bleibt die „Nossan“?

Das Motorrettungsboot „Langeoog“ der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) hat entscheidenden Anteil daran, als das manövrierunfähig treibende Küstenmotorschiff mit sechs Seeleuten an Bord am 18. September 1954 endlich gefunden wird – nach 73 Stunden in ­tosender See.

Die „Nossan“ verschwindet im Sturm
Mit zehn Beaufort weht der Sturm, als die „Nossan“ am Mittwochabend, 15. September 1954, auf der Nordsee in Seenot gerät. Sie ist mit rund 600 Kubikmetern Fichtenholzbrettern beladen. Unterwegs nach London, fällt vor der niederländischen Insel Vlieland die Maschine aus. Die „Nossan“ legt sich quer zur See, schlingert heftig. Wellen brechen sich auf dem Deck. Trotz erheblicher Anstrengungen der Besatzung ist die Reparatur mit Bordmitteln unmöglich. Die „Nossan“ treibt manövrierunfähig im schweren Sturm. Eine Funkanlage hat sie noch nicht.

Sicher in Cuxhaven eingelaufen (v.l.): das Küstenmotorschiff „Nossan“, der Bergungsschlepper „Danzig“ und die „Langeoog“. Archivfoto: Die Seenotretter – DGzRS

Um 2.30 Uhr trifft die „Niederelbe“ bei der „Nossan“ ein. Das deutlich kleinere deutsche Schiff hat noch schwerer mit der See zu kämpfen. Doch das Unmögliche gelingt: Vor Terschelling nimmt die „Niederelbe“ die manövrierunfähige „Nossan“ in Schlepp. Mehrfach bricht die Trosse. Als es nicht mehr gelingt, die Leinenverbindung wiederherzustellen, treibt die „Nossan“ schnell außer Sicht.

Gegen 9 Uhr entdeckt der Dampfer „Gustav Pistor“ den Havaristen. Er kommt nicht nahe genug heran. Über Funk fordert er Schlepperhilfe an. Die „Nossan“ treibt hilflos weiter. Die Halligen melden „Land unter“. In Cuxhaven stehen 3,50 Meter Wasser über normal im Hafen. Vor Neuwerk retten die Seenotretter zwei Männer von einem Arbeitsboot, vor Pellworm drei Fischer eines Kutters. Nun versuchen Bergungsschlepper, die „Nossan“ zu finden. Sie haben keinen Erfolg.

Noch immer herrscht Sturm. Die „Nossan“ hat Schlagseite. Übergekommenes Wasser ist bis in die Kammern gelaufen. Sie sind nicht mehr zu bewohnen. Die Crew stellt einen Treibanker her und bringt ihn aus, um das Schiff zu stabilisieren. Andere Schiffe in der Ferne bemerken die Lage der „Nossan“ nicht. Ihr grauer Rumpf ist in der aufgewühlten See nicht auszumachen. Seenotsignale werden nicht gesehen. Die übermüdete Besatzung greift zu einem verzweifelten Mittel: Bis zum Bauch in überkommenden Seen arbeitend, wirft sie mehr als 60 Kubikmeter Holz über Bord, um das starke Hin-und-Her-Rollen zu verringern. Die Küstenfunkstellen senden unentwegt Dringlichkeitsmeldungen (Pan-Pan) aus.

Die „Nossan“ bleibt verschwunden
Am 17. September überfliegen zwei Suchflugzeuge in Absprache mit der DGzRS die Nordsee zwischen Borkum und Wangerooge. Und endlich: Kurz nach 16 Uhr entdecken sie die mit schwerer Schlagseite treibende „Nossan“ – 140 Seemeilen (260 Kilometer) von ihrer ursprünglichen Position entfernt. Die Motorrettungsboote „Lübeck“ der Station Wangerooge, „Langeoog“ der Station Langeoog und der aus der Wesermündung kommende Seenotrettungskreuzer „Bremen“ nehmen Kurs auf die gemeldete Position. Aus Cuxhaven laufen zwei Bergungsschlepper aus.

Der Sturm weht aus Südwest mit Stärke 9 bis 10 (bis zu 100 Stundenkilometer). Auf der „Langeoog“ kämpfen sich Vormann Hillrich Kuper, Rettungsmann Tjard Mannott und Maschinist Hans Bux durch die Accumer Ee Richtung freie See. Ständige Regenböen nehmen den Seenotrettern die Sicht. Sie hoffen, die „Nossan“ gegen 18.30 Uhr zu finden. Schwer stampft das Motorrettungsboot in der hohen steilen See. Doch am angegebenen Ort gibt es keine Spur von der „Nossan“.

Erfahrung des Vormanns ist Schlüssel zum Erfolg

Dank der großen Erfahrung des Vormanns wendet sich das Blatt: Kuper weiß, dass bei Flugzeugmeldungen die geographische Länge meist stimmt, weil sie beim Passieren der Küste Land unter sich sehen. Aber die geographische Breite ist wegen der hohen Fluggeschwindigkeit oft sehr ungenau. Der Vormann entscheidet, das Suchgebiet zu verändern: Die „Langeoog“ sucht nun weiter nördlich und – volle Ebbstrom-Abdrift eingerechnet – etwas weiter westlich.

Und tatsächlich: „Liek vöruut, doar drifft de ‚Nossan‘!“ („Recht voraus, da treibt die ‚Nossan‘!“), schreit Kuper es im Sturm zu Mannott neben ihm auf dem offenen Fahrstand, als die „Langeoog“ gegen 20.30 Uhr den Havaristen im Suchscheinwerfer hat, querab der Insel Wangerooge. Im schweren Seegang ­gelingt es den Seenotrettern, sich bis auf wenige Meter zu nähern. Mannott und Bux halten sich an Deck, obwohl die „Langeoog“ tief in die Wellen eintaucht und beide bis zum Bauch im Wasser stehen. Die „Nossan“ bringt eine Leine aus. Es gelingt ihnen, sie einzufangen und mit der Schleppleine der Seenotretter zu verbinden. Mit großem seemännischen Geschick bringt Vormann Kuper den Schleppzug in Fahrt und auf Kurs Weser. Dort soll die „Bremen“ die „Nossan“ übernehmen.

Das Wetter wird noch schlechter. Regen nimmt jegliche Sicht, Gewitter ziehen ringsumher auf. Die „Langeoog“ hat keine Funkverbindung mehr an Land. Nach etwa einer Stunde bricht die Schlepptrosse. Sowohl die „Langeoog“ als auch die „Nossan“ holen die gebrochene Trosse wieder ein und stellen eine neue Verbindung her – unter denselben Strapazen wie zuvor.

Zum zweiten Mal greift die „Langeoog“ rettend ein
Gegen 23 Uhr meldet sich der Schlepper „Wotan“ über Funk bei den Seenotrettern. Doch bevor die „Langeoog“ die „Nossan“ an die deutlich stärkere „Wotan“ übergeben kann, bricht die Trosse erneut. Dem Schlepper „Danzig“ gelingt es, die „Nossan“ auf den Haken zu nehmen und Richtung Elbmündung zu schleppen. Dort ist bei Ebbe mit besonders hohem Seegang zu rechnen. Ein erneuter Bruch der Trosse wäre eine große Gefahr für die völlig erschöpfte Besatzung der „Nossan“. Die „Langeoog“ sichert deshalb den Schleppverband. Bei Feuerschiff „Elbe II“ kommt es wie von Vormann Kuper befürchtet: Wieder bricht die Trosse. Kurz bevor die „Nossan“ auf den gefährlichen Vogelsand treibt und strandet – was wohl ihr sicheres Ende gewesen wäre – nimmt die „Langeoog“ sie abermals für eine weitere Stunde auf den Haken. Dann hat die „Danzig“ ihr Schleppgeschirr wieder klar und übernimmt.

Am Samstagmittag, 18. September, erreichen der Schleppverband und die „Langeoog“ Cuxhaven. Die Seenotretter haben zwei nahezu schlaflose Sturmnächte hinter sich. Doch in gemeinsamer Anstrengung ist es gelungen, sechs Menschenleben zu retten. Vormann Hillrich Kuper, dessen Vater noch im Ruderrettungsboot saß, sagt in den folgenden Jahren und Jahrzehnten einen Satz immer wieder über seine zuverlässige „Langeoog“: „Mit diesem Boot geh’ ich durch jede Brandung, mit dem kann man alles machen.“

Neue Funktion als Museumsboot
Heute, 70 Jahre nach diesem Seenotfall, ist Kommunikation der Schlüssel im modernen Seenotrettungsdienst. Die sich in immer kürzeren Intervallen modernisierende Technik ermöglicht unter anderem Sprechfunk auf unterschiedlichsten Frequenzen, Satellitenfunk, automatische Identifizierungssysteme und Seenotfunkbaken. An die Zeit davor erinnert das Motorrettungsboot „Langeoog“ als Museumsschiff: Seit Juli 1980 ist es vor dem Haus der Insel aufgestellt und kostenlos begehbar (nur Deck). Aktuelle Öffnungszeiten siehe Aushang.

Das DGzRS-Motorrettungsboot „Langeoog“ wurde 1944 in Hamburg gebaut und im März 1945 auf der Insel in Dienst gestellt. Besonderes Merkmal des 14 Meter langen Bootes ist der Turmaufbau mit zweitem Steuerstand, der eine bessere Übersicht bei Rettungsmanövern bot. Ein 150-PS-Diesel brachte es auf eine Geschwindigkeit von 16 Stundenkilometern. In ihren 35 Dienstjahren rettete die „Langeoog“ mehrere hundert Menschen aus Seenot. Ihre spezielle Rumpfform erlaubte zudem einen Einsatz als Eisbrecher. So versorgte sie in harten Wintern sowohl Langeoog als auch die Nachbarinseln.

-ut/köp-

Frischer Wind für historische Mauern

Diakonie Bethanien übernimmt Familienferienstätte Haus Kloster Loccum am Hospizplatz

Einst als Hospiz gegründet, ist das Haus Kloster Loccum seit langer Zeit als Familienerholungsstätte bekannt. Viele Jahre haben Thomas und Hanna Behncke das Haus am Hospizplatz geleitet, doch wirtschaftliche Gesichtspunkte führten zur Kündigung des Pachtvertrags.

Von der beabsichtigten Auflösung des Vertrags hatte Dr. Marc Deffland durch den „Inselfunk“ erfahren. Ebenso vom Umstand, dass auch eine weitere Familienerholungsstätte ihre Türen schließen wolle. Der Betriebsleiter des Hotels Bethanien an der Barkhausenstraße braucht nicht lange zu überlegen. Er nahm Kontakt zu beiden Einrichtungen auf: „Es war noch sehr unklar, wohin die Reise gehen würde“, berichtet Marc Deffland.

„Etwas Neues ausprobieren“
Anna-Lena Rex und Dr. Marc Deffland sind für die Leitung und zukünftige Ausrichtung des Haus Kloster Loccum verantwortlich. Foto: Diakonie Bethanien Das Kloster Loccum als Eigentümerin der 1885 auf Langeoog eingeweihten Immobilie hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Lösung gefunden, wie das Haus nach Auslaufen des Pachtvertrags weiterverwendet werden könnte. Auch ein möglicher neuer Pächter war noch nicht in Sicht.

Marc Deffland bedauerte das absehbare Ende der Familienerholungsstätte Haus Kloster Loccum zunächst, würde hier doch ein wichtiger Teil der Insel, ein Haus an einem wunderschönen Ort, verloren gehen. Also besprach er sich mit der in Solingen ansässigen Diakonie Bethanien, die Trägerin des Langeooger Hotels ist, ob und wie das Haus unter dem Dach der Diakonie weiter betrieben werden könne.

„Wir wollten gern was ausprobieren“, beschreibt Marc Deffland die Zielrichtung. So ist die Übernahme eine „wirtschaftliche ­Herausforderung“ – ein Grund, weshalb der Pachtvertrag zunächst nur bis Ende 2027 geschlossen wurde. „Das ist ein Zeitraum, in dem wir probieren können, was für Möglichkeiten uns das Haus Kloster Loccum bietet.“ Damit sei zum einen die Ausrichtung gemeint, aber natürlich auch die Refinanzierung der Investitionskosten.

Nach der Einigung mit dem Eigentümer konnte also das Team um Marc Deffland am 1. März dieses Jahres starten. „Wir haben bei null angefangen“, erzählt der Betriebswirt, Wirtschaftspädagoge und Medizinwissenschaftler. „Meine Idee war wie bei einem Musikkonzert: Man geht an den Start und wenige Tage später ist alles ausgebucht.“ Doch dem war längst nicht so. Viele Menschen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ihren Urlaub gebucht, sodass der Belegungskalender leer blieb.

Hintergrund Familienerholungsstätte
Seit Mitte der 1990er-Jahre gibt es die sogenannten Familienerholungsstätten. Dieses ist ein Konstrukt aus den Nachkriegsjahren, wurde in den 1960er-Jahren geschaffen, um insbeson- dere kinderreichen Familien einen Erholungsurlaub zu ermöglichen. Rechtlich abgedeckt sind die Einrichtungen durch das achte Sozialgesetzbuch. Eine kleine Küchenzeile sowie eine helle und moderne Gestaltung zeichnen die Familienzimmer aus. Foto: Diakonie Bethanien

Doch im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Gesellschaft und damit auch der Bedarf an entsprechenden Unterkünften verändert. Somit kam es, dass sich der Staat rund um die Jahrtausendwende mehr und mehr zurückgezogen sowie die recht- lichen und finanziellen Rahmenbedingungen verändert hat. Für das Haus Kloster Loccum bedeutete dies, dass die notwendigen Investitionen von rund 6 Millionen Euro für die Umwandlung zur Familienerholungsstätte Mitte der 1990er-Jahre zu je einem Drittel vom Bund, vom Land und vom Träger finanziert wurden.

Durch den Rückzug des Staates ist die Zahl der Familienerholungsstätten bundesweit auf unter 100 zurückgegangen; es ist also laut Marc Deffland kein Inselproblem, sondern spiegelt die Veränderung bundesweit wider.

Warum nun aber die Übernahme der Einrichtung durch die Diakonie Bethanien? „Wir sind ein diakonischer Träger und gehen so einen Schritt nicht, weil wir Wachstum oder Umsatz für etwas Wichtiges halten, sondern weil für uns die Frage ist: Dient es unserem Auftrag, Menschen zu helfen und im Leben zu unterstützen? Es ist für uns eine Identitätsfrage, ob so etwas wie das Haus Kloster Loccum zu einem diakonischen Träger passt“, erläutert Marc Deffland.

Neustart 2024: Herausforderungen meistern
Im lichtdurchfluteten Lesesaal kann geschmökert werden. Foto: Diakonie BethanienJetzt also der Versuch zunächst bis Ende 2027. Doch anstatt mit Buchungen überrollt zu werden, passierte erst einmal nichts, „Das war genau das Gegenteil von meiner Vorstellung“, sagt Marc Deffland. Doch schon bald sollte sich diese Situation ändern. Man wurde Mitglied der evangelischen Familienerholung, einem Zusammenschluss von knapp 100 Häusern dieser Art, die zudem die sogenannte „Familienzeit NRW“ koordiniert. Dabei handelt es sich um ein Angebot für einkommensschwache Familien in Nordrhein-Westfalen, welches durch das Land NRW mit 3,4 Millionen Euro gefördert wird. Wichtig dabei: „Es gibt eine historisch starke Nähe zwischen Kirche und Diakonie. Diese Nähe wächst am Beispiel Haus Kloster Loccum weiter zusammen, auch bei den freikirchlichen und landeskirchlichen Strukturen“, so Marc Deffland.

Damit könnten die Zimmer in Kürze belegt werden, wäre da nicht das nächste Problem – oder besser die nächste Aufgabe – erkennbar. Dieses Angebot gibt es nämlich nur mit Verpflegung zu buchen. Die vorhandene Küche im Haus Kloster Loccum indes war stark abgängig und nicht mehr nutzbar.
Doch auch diese Herausforderung sollte gemeistert werden. Das Verpflegungsangebot könnte über das Hotel Bethanien abgebildet werden, so die Idee, und zwar in Buffetform zu den entsprechenden Essenszeiten. „Das Konzept kommt an“, weiß Marc Deffland. Bisher gab es großes Lob für die leckeren Speisen aus der Bethanien-Küche.

Was die alte Küche betrifft – die ist längst Geschichte. Stattdessen wird hier eine Eventküche entstehen. Also ein neuer Treffpunkt für bis zu 20 Personen, die gemeinsam kochen, sich austauschen können. Die Gemeinschaft fördern, eben eines der Anliegen der Diakonie Bethanien. Und genau diese Idee befindet sich derzeit in der Umsetzung: alte Küche raus, Räume modernisieren, neue Küche rein. Über die Eröffnung wird noch zu berichten sein.

„Noch nie so viel Dankbarkeit erlebt“
Die ersten Sommerferien in NRW sind nun vorbei. Zeit für ein erstes kleines Fazit? „Wir haben uns für dieses Angebot auf einen Testbetrieb von zehn Wochen verständigt“, sagt Marc Deffland. Und bislang haben alle Gäste, die zu den ersten im „neuen“ Haus Kloster Loccum zählen, nur Positives berichtet. „Das sind sehr glückliche, zufriedene Gäste, die trotz schmalen Geldbeutels endlich Urlaub machen können.“ Denn: Dank der Unterstützung durch das Land NRW zahlen Erwachsene gerade einmal 50 Euro die Woche, Kinder sind mit 25 Euro die Woche dabei.

„Wir haben noch nie so viel Dankbarkeit erlebt für einen Urlaub hier auf Langeoog, das ist ein ganz großes Geschenk“, sagt Marc Deffland zufrieden und vielleicht auch kleines bisschen stolz auf das, was sie hier in kürzester Zeit geschaffen haben. Denn Langeoog ist für die Menschen, die dank des Programms aus Nordrhein-Westfalen hier Urlaub machen können, sonst unerreichbar. Dazu zählen auch viele Alleinerziehende, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen, bevor er ausgegeben wird. Doch was das mit den Menschen macht, zeigen unter anderem auch einige Zehn-Sterne-Bewertungen im Internet.

„Diese Dankbarkeit für den Aufenthalt und unser leckeres Essen – das beflügelt mich und zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Denn der Urlaub ist auch und insbesondere eine Entlastung für die Erziehenden. Dank des täglichen Kinder- programms wie Basteln, Spielen und Kindersport können sich die Erwachsenen eine Auszeit nehmen und beispielsweise Erholung am Strand finden. „Sie dürfen endlich einmal auftanken, das ist ganz wertvoll für die Eltern“, erklärt Marc Deffland.

Vielseitiges Angebot und Freiraum für Gäste
Der Spiel- und Toberaum samt Rutsche steht für die kleinen Besucher zur Verfügung. Foto: Diakonie Bethanien Und das ist im Haus Kloster Loccum für alle Generationen problemlos möglich. Eine große Empfangshalle, die sogar etwas an das Entree eines Luxushotels erinnert, lädt zum Abschalten vom Alltag ein. „Hier beginnt der Urlaub“, sagt Marc Deffland. Und der beinhaltet auch ein vielseitiges Angebot, zu dem tolle Gemeinschaftsräume, ein Spiele- und Toberaum mit Rutsche, ein Bastelraum, ein Kleinkindraum, der Lesesaal sowie ein Wintergarten gehören. Es ist eben alles weiträumig und groß ausgelegt und bietet Freiraum für alle Gäste.

Ein weiterer Pluspunkt ist die vorhandene Baustruktur aus vergangenen Zeiten: Diese passt gut zu den heutigen Herausforderungen. Denn es gibt sowohl kleinere Zimmer für Alleinerziehende mit Kind, als auch größere Appartements mit zwei Schlafzimmern für Eltern und Kinder.

Die Teilnahme am Programm „Familienzeit NRW“ ist für das kommende Jahr bereits fest eingeplant. Außerdem gibt es bereits jetzt Anfragen und Buchungen für verschiedene Gruppen, beispielsweise die katholische Militärseelsorge. Zudem ist ein Bootcamp mit christlichen Sportlerorganisationen geplant. „Wir wollen das Haus mit Gruppen beleben, die Idee des Gruppenhauses wieder mehr in den Vordergrund stellen und unterschiedliche Dinge ausprobieren“, erklärt Marc Deffland. Dabei soll die Familienzeit immer ein großes Puzzlestück in der Mitte bleiben.

Am Anfang stand also die Frage im Raum, wie der Betrieb im Haus Kloster Loccum aussehen könnte. Dann aber kamen Ideen ans Tageslicht und zeigen bis jetzt: „Es geht auch anders als gedacht. Wir gehen jetzt unseren Weg und probieren uns aus. Das Bild des neuen Haus Kloster Loccum formt sich“, so Marc Deffland. „Wir denken von Woche zu Woche und arbeiten nicht nach klassischer Betriebswirtschaft mit Kennzahlen, sondern probieren uns Stück für Stück aus, was gerade zusammenpasst.“

-utk-

Ulli und Waltraut sind ein eingespieltes Team

Seit 50 Jahren gibt es den Kiosk am Hundestrand – bald stellt sich die Nachfolgerfrage

Zwischen Inselmitte und Hundestrand, gleich hinter der katholischen Kirche, ist „Ulli’s Kiosk“ seit 50 Jahren zu finden.Schon seit einem halben Jahrhundert ist der Kiosk hinter der katholischen Kirche zwischen Inselmitte und Hundestrand eine feste Institution für Langeoog-Urlauber. Zwischen Ostern und dem Ende der Herbstferien gibt es hier neben kiosktypischen Produkten auch kleine Snacks, Strandartikel und Postkarten zu kaufen.

Es ist die herzliche Art und Weise von Inhaberin Ulrike Petrovic und ihrer langjährigen Mitarbeiterin Waltraut Hunger, warum die Gäste immer wieder vorbei schauen, einen Klönschnack halten und dabei auf der windgeschützten und zum Teil überdachten Terrasse eine Pause einlegen. „Wir sind ein eingespieltes Team“, sagen die beiden Damen, die sich blind verstehen, wenn Kundschaft erscheint und Essen in der Küche zubereitet werden muss. „Wir können den Verkauf und die Küche parallel bespielen und uns aufeinander verlassen“, sagt Ulrike Petrovic. Jeden Tag mit im Kiosk ist auch Günther. Der viereinhalbjährige Mischling ist Ullis Liebling und genießt die beständige Nähe zum Frauchen.

Von „Uschi“ zu „Ulli“
1974 wurde der Kiosk von Ursula Frerichs eröffnet. Musste der hölzerne Verkaufsstand zum Saisonende des ersten Jahres ab- und im nachfolgenden Frühjahr wieder aufgebaut werden, ­änderte sich dies bereits 1975. Nach dem Tod ihres Ehemannes erhielt Ursula Frerichs die Genehmigung für einen ganzjährigen Betrieb. Davon profitiert heute auch Ulrike Petrovic. Die damalige Mitarbeiterin einer Apotheke, heute würde man pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) sagen, wagte 2003 den Schritt in die Selbstständigkeit und übernahm den Kiosk von Ursula Frerichs, die mit 67 Jahren den beruf­lichen Nagel an die Wand gehängt hat.„Bei den Erwachsenen sehr beliebt“ sei die Spitztüte mit gemischtem Weingummi, sagt Ulrike Petrovic.

Doch bis auf den Namen änderte sich nichts. Der Innenraum wurde renoviert und aus dem Kiosk „Bei Uschi“ wurde „Ulli’s Kiosk“. Das bewährte Sortiment und Angebot wurde nicht ­angetastet. So gibt es natürlich Süßigkeiten, kalte und warme Getränke, Postkarten (mit Briefmarken!), Strandspielzeug, Zeitschriften und Tabakwaren sowie kleine Snacks wie den beliebten Milchreis mit Zimt und Zucker, überbackene Baguettes oder leckere Pfannkuchen. Und für den Fall der Fälle sind auch Pflaster bei Ulrike Petrovic und ihrer Mitarbeiterin Waltraut Hunger zu bekommen.

Eine seit Jahren ungebrochen besonders hohe Nachfrage gibt es nach losen Süßigkeiten aus in der Spitztüte. Bei „Ulli’s Kiosk“ gibt es noch die „gemischte Tüte für einen Euro“, die viele der Kunden aus der eigenen Schulzeit und aus dem Schwimmbad kennen. „Diese Tüten sind der Renner bei Erwachsenen. Wir kommen kaum mit dem Nachbestellen nach“, freut sich Ulrike Petrovic.

Besondere Momente
Mischlingsrüde „Günther“ darf bei Ulrike Petrovic nicht fehlen. Er gehört schon fast zum Inventar des Kiosks.Und es sind die besonderen Momente, die dem Team Ulli und Waltraut in lebhafter Erinnerung bleiben. „Vor 25 Jahren hat ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen auf der Terrasse bei meiner Vorgängerin Uschi geheiratet. Kürzlich kam das Paar mit den Trauzeugen wieder zu uns, um die Silberne Hochzeit zu feiern“, erzählt Ulrike Petrovic. Den Möglichkeiten, wie die Terrasse genutzt werden kann, sind halt kaum Grenzen gesetzt.

In diesem Jahr feiert der Kiosk sein 50-jähriges Jubiläum. Ein besonderes Präsent bekam Ulrike Petrovic im Mai von Karl-Heinz Jung. Der fertigte ein neues Schild „Anno 1974“ an, das an der Außenwand gleich unter „Ulli’s Kiosk“ seinen Platz fand und den kaputten Vorgänger ersetzte.

Doch so freudig dieser Geburtstag auch ist, ein bisschen sorgt sich Ulli um ihre Nachfolge für den Kiosk. „Zwei bis drei Jahre möchte ich hier noch arbeiten, aber dann ist für mich Schluss.“ Daher ist sie, wenn auch noch ganz ohne Zeitdruck, bereits heute auf der Suche für einen geeigneten Kandidaten oder eine geeignete Kandidatin. Denn für Ulrike Petrovic ist wichtig, dass der Kiosk in konkurrenzloser Lage auch nach ihr weiterhin eine Anlaufstelle und ein Treffpunkt für Insulaner und Gäste bleibt.

Was Ulrike Petrovic nach Übergabe ihres Kiosks am meisten fehlen wird? Vermutlich der direkte Blick auf den Wasserturm. „Aus unserer Perspektive hat man den schönsten Ausblick auf das Wahrzeichen der Insel.“

-utk-

Besonderer Dienst am Gezeitengewässer

Zu Besuch bei der DLRG-Wasserwacht auf Langeoog

Das Fernglas ist sein wichtigstes Arbeitsgerät: DLRG-Wachleiter Frank Steinhagen ist seit sieben Jahren regelmäßig auf Langeoog tätig.Während des Gesprächs mit Frank Steinhagen wird schnell klar: Hier nimmt jemand seinen Job äußerst ernst. Dies merkt man unter anderem daran, dass der Wachleiter der DLRG (Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft), während er Fragen beantwortet, immer wieder durch das Fernglas schaut, um die Badenden und seine Kollegen am Meeressaum im Auge zu behalten.

„Im laufenden Badebetrieb befindet sich immer mindestens ein Rettungsschwimmer direkt an der Wasserkante, um im Notfall schnellstens eingreifen zu können“, sagt Steinhagen, der sich im nächsten Moment per Handzeichen mit seinem Kollegen Alexander Emmerson verständigt. „Wir halten Sichtkontakt und unterhalten uns per unmissverständlicher Gestik. Wir ­stehen weit auseinander und Wind und Wellen bringen ja eine gewisse Geräuschkulisse mit sich. Da bringt es nicht viel, sich etwas zuzurufen. Und wir wollen möglichst unauffällig arbeiten, um keine Panik oder Neugierde unter den Strandbesuchern auszulösen“, verrät Frank Steinhagen, der seit sieben Jahren regelmäßig auf Langeoog für die DLRG im Einsatz ist. Vor 25 Jahren, zur Saison 2000, übernahm die DLRG den Wasserrettungsdienst von der damaligen Kurverwaltung.

„Der Wind ist kühl, aber die Sonne brennt. Darum bekommt man es oftmals nicht sofort mit, wenn man sich einen schlimmen Sonnenbrand einfängt“, sagt der 57-Jährige aus Tönisvorst, der damit unterstreicht, dass man nicht „nur“ für die Rettung aus dem Wasser zuständig ist. Vielmehr kümmert sich das Team auch um sonnenverbrannte Gäste und solche, die einen Hitzschlag erlitten haben. Zudem können Muscheln für Schnittverletzungen sorgen und Begegnungen mit Quallen bringen nicht selten Verbrennungen mit sich. „Diese Art von Verbrennungen behandeln wir ganz klassisch mit Rasierschaum, der nach einer kurzen Einwirkzeit abgeschabt wird“, berichtet Steinhagen. Die Rettungsschwimmer Tjard Goßling und Anna Onuseit veranschaulichen das Anbringen des Gurtretters, der als Auftriebshilfe fungiert.

Die Rettungsschwimmer verteilen sich auf die drei an Haupt-, Ost- und Westbad befindlichen Türme. „Die jeweils sechs bis neun Personen starken Mannschaften bleiben zumeist eine oder zwei Wochen lang. Neu ist in diesem Jahr, dass der hauptamtliche Wachleiter nicht mehr während der ganzen Saison bleibt, sondern dass sich drei Leute, die sich nach vier Wochen abwechseln, diesen Posten teilen. Es ist einfach schwieriger geworden, Personal zu finden, das den ganzen Sommer über auf der Insel bleiben kann“, berichtet der Wachleiter, für den die Arbeit auf Langeoog besondere Herausforderungen mit sich bringt. „Die Tätigkeit an einem Gezeitengewässer ist schon speziell. Je nach Wasserstand lauern unterschiedliche Gefahren. Wir haben hier mit Prielbereichen und Sandbänken zu tun. Bei Prielen merkt der Badende im Vorfeld nicht, wenn es im nächsten Moment tief hinunter geht. Und bei Sandbänken gibt es meistens eine flache und eine steile Kante, die man durch das trübe Wasser nicht rechtzeitig erblicken kann.“ Wenn ein Badender zu ertrinken droht, springen die Rettungsschwimmer direkt in die Brandung. „Das ist eine Extremsituation, in der uns und dem in Not geratenen Menschen der sogenannte Gurtretter hilft. Diese Auftriebshilfe unterstützt die Beteiligten dabei, wertvolle Kräfte zu sparen“, erklärt Frank Steinhagen.Mindestens ein Rettungsschwimmer ist während der Badezeiten stets direkt an der Wasserkante zu finden.

Wer Lust hat, selbst den Dienst in der Abteilung „Wasserrettungsdienst Küste“ bei der DLRG zu absolvieren, sollte das Deutsche Rettungs­schwimmerabzeichen mindestens in Silber und ein Mindestalter von 16 Jahren vorweisen können. „Zudem sollte ein Erste-Hilfe-Kurs alle zwei Jahre aktualisiert werden. Viele stoßen schon in jungen Jahren zu uns und viele kommen wieder zu uns zurück, wenn sie ihre Berufsausbildung oder die Schule abgeschlossen haben.

Jeweils ein DLRG-Wachtturm ist an West-, Ost- und Hauptbad platziert.Interessierte können sich bei der DLRG-Zentralstelle in Bad Nenndorf bewerben“, weiß Frank Steinhagen, der sich freut, auf Langeoog bisher keine extrem gefährliche Situation erlebt zu haben. „Ich bin immer in der ­Nebensaison auf der Insel. Schlimme Fälle passieren meistens, wenn ich nicht auf Langeoog bin. Das hat aber bestimmt nichts mit meiner Person zu tun“, scherzt er.

-ker-

Baustellenrunde

Mit dem Rad von Baustelle zu Baustelle – für Tischlermeister Holger Schwede ein ganz normaler Arbeitstag

Balkonsanierung im Dauerregen. Tischlermeister Holger Schwede und sein Mitarbeiter Frank Ostermann sind froh über die Abdeckung, die die Dachdecker gelassen haben. Ihnen selbst hätte der Regen nicht so viel ausgemacht, dem Werkzeug schon, erwähnt der Inhaber der Langeooger Tischlerei Schwede.

Holger Schwede und sein langjähriger Mitarbeiter Frank Ostermann (r.) auf dem sanierungsbedürftigen Balkon. Ihr Handwerk ist Millimeterarbeit. Die Materialien: vielfältig. Vor Ort hatte Frank Ostermann das Holz zugeschnitten. Profilholz, Lärche, grau lasiert für die Seitenwände. Eine sogenannte Ortgangverkleidung aus Blech wird er noch oberhalb der Verkleidung am Dach anbringen, damit Regenwasser besser abfließen kann. Außerdem wird er auf dem knapp drei Quadratmeter großen Balkon noch eine Tür für den Verschlag anfertigen. Erneuert hat er auch den Boden: Mit Mörtel hat er ein rund zweiprozentiges Gefälle zum Abfluss auf dem Betonboden ­hergestellt, eine Unterkonstruktion gebaut und WPC-Terrassendielen verlegt. Die Dielen sind aus einem Holz-Kunststoff-Gemisch (WPC – Wood Plastic Composite). „Es ist leicht zu reinigen, robust und splittert nicht. Durch den hohen Holzanteil sieht es natürlich aus“, erklärt Holger Schwede die Gründe für den Einsatz des Werkstoffes.

Große und kleine Baustellen
Wenn er seine Baustellenrunde macht, ist Holger Schwede auf der autofreien Insel entweder mit der E-Karre oder auf seinem E-Bike unterwegs. An diesem Nachmittag besucht er insgesamt fünf Baustellen mit dem Fahrrad. Sie sind alle rund um den Ortskern verteilt und in wenigen Minuten zu erreichen. Der Einbau von Fenstern gehört auch zu den Aufgaben der Tischlerei Schwede.

Der gebürtige Langeooger hat sein Fahrrad vor einem inseltypischen Backsteinhaus abgestellt. Es ist das sanierte Mitarbeiterhaus eines Hotels mit mehreren Wohnungen. In einer streicht Holger Schwede mit der Hand über eine Zimmertür. Die Optik, die Haptik – das sei fast wie Holz, sagt er beeindruckt. Und auch kleinere Sanierungsarbeiten erfreuen ihn: Im Treppenhaus ist am Treppengeländer noch der ursprüngliche Holzhandlauf, dem sein Alter nicht anzusehen ist. Sie haben ihn bereits abgeschliffen. Jetzt muss er nur noch geölt werden. In dem Gebäude haben sie auch neue Fenster eingesetzt. So wie in einem Hotelneubau.

Viele Fenster seien es gewesen; wie viele, das müsse er nachzählen. Was er aber noch genau weiß, ist, dass sie schwer waren. „Wir mussten sie mit vier Mann reinheben.“ Es sei eine „unheimliche Schlepperei“ gewesen. Eingebaut hatten sie auch die Haus-, Wohnungs- und Zimmertüren.

Elf Quadratmeter – so groß ist der Raum, in dem Marco Böhm den Vinylboden verlegt. Rund einen Tag braucht er dafür.Auf der nächsten Baustelle, einem Ferienhaus, verlegt Marco Böhm gerade einen Klick-Vinylboden. „Vinyl ist strapazierfähiger als Laminat. Und wenn man läuft, ist es leiser, außerdem fühlt es sich wärmer an“, erklärt er. Rund einen Tag braucht er für den elf Quadratmeter großen Raum. Etwas friemelig sei es unter der Heizung, ansonsten aber recht unkompliziert zu verlegen, so Böhm.

Eine andere Herausforderung bewältigt sein Kollege Florian Uphoff. In einer Maisonettewohnung hat er Einbauschränke und eine Küche nach Maß eingebaut. Aufwendig sei der Schrank unter der Treppe gewesen. „Da ist es meist krumm und schief“, sagt er über die Millimeterarbeit. Millimeterarbeit: ein Einbauschrank nach Maß.

Florian Uphoff gehört zu den sieben Mitarbeitern der Tischlerei Schwede. Im September wird ein junger Insulaner seine Ausbildung in der Werkstatt beginnen und auch Holger Schwedes Sohn wird als Tischler in das Familienunternehmen eintreten. Der Tischlermeister selbst hat vor vielen Jahren das Unternehmen von seinem Vater übernommen. Er freut sich, dass die Familie und sein Team in diesem Oktober ein Betriebsjubiläum feiern können. Dann gibt es die Tischlerei seit 60 Jahren auf Langeoog.

-jeg-